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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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wenn wir diesen Sommer auf Wanderschaft gehen.« Sims Stimme kiekste. Kam er etwa in den Stimmbruch? Dann mußte er über zwölf sein. Laß sehen, er war ungefähr acht, als Malachi ihn auf der Straße aufgelesen hat – aber vielleicht auch schon zehn, dazu rechnen wir noch einmal…
    »Die sehen mir eher nach Schwein als nach Hammel aus«, sagte Cecily mit ihrem durchdringenden Stimmchen und musterte die aufgehängten Rückgrate eingehend. »Wickelst du die so schön ein wie die in der Kirche?«
    »Meine Ware ist in Wirklichkeit Glaube und Hoffnung, ohne die die menschliche Rasse nicht weiterleben könnte, und diese Gegenstände dienen den Menschen zur Kontemplation…«
    »Du brauchst sowieso Geld für ein neues Glasei«, meinte Cecily. »Wie gut, daß du immer welche nachmachen kannst.«
    »Und ich, Kind, begreife allmählich, daß du die Tochter deines Vaters bist. Ach ja, der alte Master Kendall, das war ein Schlauberger, o ja.«
    »Wir sollten auch solche Sachen machen wie du, weil das Geld alle ist. Mama hat ihr Zindelkleid verkaufen müssen, das wunderschöne mit der Goldstickerei, das ich so gern anprobiert habe, und das Geld, das uns Stiefvater in der Geldkatze in der Truhe dagelassen hat, ist auch schon alle«, verkündete Alison.
    »Alison, hör auf!« rief ich. Sie hatte mich in meiner Berechnung von Sims Alter jäh gestört.
    »Margaret, wenn du Haushaltsgeheimnisse wahren willst, solltest du diese Kinder im Keller einsperren.«
    »Hat Stiefgroßvater schon mal gemacht«, sagte Alison zufrieden.
    »Das überrascht mich nicht, nicht im geringsten«, sagte Malachi. »Margaret, um diese Jahreszeit bin ich leider knapp bei Kasse, aber…«
    »Ich bin nicht wegen einer Anleihe gekommen, Bruder Malachi. Ich komme wegen dieser Sache hier«, sagte ich, griff in das Brustteil meines Kleides und zog Gregorys Brief heraus, der ganz zerknittert, voller Siegel, gefaltet und wieder gefaltet und von der langen Reise fleckig war. »Ein Brief von Gregory, und er schreibt, ich soll ihn dir bringen.« Malachi setzte sich auf den hohen Schemel vor die Aludel, entfaltete den Brief und musterte ihn genau.
    »Möchtest du dir meine Schädel ansehen?« fragte Sim Cecily. »Alles abgemurkste Franzosen.«
    »Ich auch«, sagte Alison. »Sehen Schädel von Franzosen wie englische aus? Mutter Sarah sagt, sie haben Hörner.«
    »Sim, hast du eine Mutter?« hörte ich Cecily fragen, als die Mädchen mit ihm in die Ecke gingen, wo die Truhe stand.
    »Keine Spur«, sagte er, »ich bin einfach so gekommen.«
    »Hast du ein Glück, unsere Mutter will, daß wir Ladys werden.« Doch dann konnte man nichts mehr hören, weil sie den Kopf in die Truhe steckten.
    Malachi kniff die Augen zusammen. Er hielt den Brief einmal so und einmal so, seufzte und kratzte sich gedankenverloren den Kopf. »Unmöglich«, brummelte er. »Gilbert ist wie üblich nicht recht bei Trost.« Das konnte dauern. Ich setzte mich zu Mutter Hilde auf die Fensterbank, denn da strömte frische Luft durch die geöffneten Läden. Im Garten betätigten sich Vögel, zweifellos bauten sie Nester in Mutter Hildes Holzapfelbaum. Das war schon immer ein Lieblingsplatz für Vögel gewesen.
    »Du nennst ihn also noch immer Gregory?« fragte Mutter Hilde. »Ich auch, es sei denn, ich denke daran. Aber Malachi hat ihn schon als Studenten gekannt und ihn immer Gilbert genannt.«
    »Ich bemühe mich, daran zu denken und ihn in Gesellschaft nicht Gregory zu nennen. Er möchte nicht, daß die Leute sich daran erinnern, daß er einmal im Kloster war. Es wird soviel geklatscht, und jetzt, da er durch seine Schriften beim Herzog hoch in Gunst steht… Aber es ist nun einmal der Name, unter dem ich ihn kennengelernt habe.«
    »Beim Adel ist es noch schlimmer. Jedesmal, wenn sie weitere Ländereien bekommen, werden sie Lord Sonstnochwas.«
    »Das ist bestimmt nicht unser Problem, Mutter Hilde.«
    Malachi stieß einen Schrei aus und schoß hoch, und sein rosiges rundes Gesicht strahlte. »Heureka!« rief er.
    »Das ist Griechisch«, sagte Mutter Hilde stolz. »Das heißt, er ist glücklich. Was für ein brillanter Mann, was für ein Hirn! Er kann sein Glück sogar in Fremdsprachen ausdrücken.«
    »Margaret«, sagte er, umrundete die große Aludel und kam zu uns zur Fensterbank, »die Rezeptur hier ist Blödsinn. Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß der Brief verschlüsselt ist. Gilbert wollte der Zensur ein Schnippchen schlagen.«
    »Genau das meine ich auch. Aber geht es ihm gut? Schreibt

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