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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Stück Räucherschinken. Bei seinen Worten warf Sir Hugo, der älteste Sohn und Erbe von Brokesford, seiner Frau, Lady Petronilla, einen scharfen Blick zu, denn diese hatte nicht den geringsten Hehl daraus gemacht, daß sie nur ungern auf das fröhliche Leben am herzoglichen Hof verzichtete. Sie wich seinem Blick aus und starrte kalt in die Ferne.
    Sir Hugo hielt nichts von der abgetragenen, bequemen Kleidung der Älteren. Er schmückte sich nach Art des französischen Adels mit einem Edelstein am schwarzen Biberhut und mit einem braun-samtenen Reitmantel nach dem neuesten Schnitt. Auch seine Frau hatte ihr langes schwarzes Kleid zugunsten eines neuen Reitkleides in Moosgrün abgelegt, und neben dem Jagdhorn hing ein kleiner Dolch an ihrem Gürtel. Da sie geschickt mit Bogen und Pfeil umgehen konnte, liebte sie blutige Sportarten und ritt so gut, daß sie nie die »mort«, den Tod der Beute, verpaßte. Man muß sie ein wenig aufmuntern, dachte Hugo. Ein paar Jagden, etwas Bettsport, und schon ist sie wieder schwanger. Solange er überhaupt seine Gedanken auf etwas konzentrieren konnte, dachte er an den drohenden Verlust. Warum sollte alles an den Sohn seines jüngeren Bruders fallen, nur weil der mit einer Frau aus niedrigeren Kreisen durchgebrannt war, die heckte wie ein Karnickel? Ärgerlich, wirklich ärgerlich. Petronilla mußte ihre Pflicht tun, und zwar schnell. Schließlich wußte er, daß sie nicht unfruchtbar war.
    »Jede Frau hat auch ihre guten Seiten. Kann sie kochen?« fragte Sir William taktvoll.
    »Kochen, schön und gut«, erwiderte Sir Geoffroi. »Aber das wird einem im Magen doch zu Gift, wenn sie überall mitreden muß. Sie tut es bei Verwaltungsangelegenheiten, sie tut es in den Ställen, sie kennt sich, behauptet sie, in meinen Geschäften besser aus als ich. Und Streit mit meiner Frau? Ich kann Euch sagen, der Streit hört gar nicht mehr auf. Zwei Herrinnen unter einem Dach – ein besseres Rezept für Ärger gibt es nicht. Aber nach den Auflagen im Testament meines Bruders kann ich sie einfach nicht loswerden.«
    »Aha, dann ist sie also die Frau Eures älteren Bruders?«
    »Genau, und mit Anrecht auf ein Zimmer, Verpflegung und Unterhalt, zwei Kleider im Jahr, immer Kerzen, freies Schalten und Walten im Haushalt und die Freiheit, sich nach Herzenslust überall einzumischen. Bei Gott, wenn ich sie doch in ihrem Zimmer einmauern könnte, aber dann fällt der gräßliche Advokat, den ihre Nichte geheiratet hat, über mich her wie der Wolf über das Lämmchen. Oh, der sucht doch nur nach einer Ausrede, wie er mich um meinen Besitz bringen kann.«
    »Advokaten, überall Advokaten!« brüllte Sir Hubert. »Wir leiden unter einer wahren ADVOKATENPLAGE, einer PLAGE, SAG' ICH, die EHRBAREN MÄNNERN DIE HAARE VOM KOPF FRISST! Sie haben ihre HABGIERIGEN HÄNDE ÜBERALL, und mit ihren…«
    »Ich glaube, ich habe da drüben Otterfährten gesehen«, unterbrach ihn Sir William und deutete mit einem gebratenen Hühnerschlegel auf das binsenbewachsene Ufer. Nur schnelles Eingreifen konnte einen von Sir Huberts berüchtigten Tobsuchtsanfällen im Keim ersticken. Der Trick dabei war, wie sein alter Freund wußte, daß man die ersten Gewitterwolken zerstreute, ehe sie sich zusammenballen konnten. Brach der Sturm erst einmal aus, schrumpelten knospende Blätter, und Lebewesen suchten ihr Heil in der Flucht. Bei solch leidenschaftlichen Ausbrüchen ließ der alte Lord schon mal Hirsch Hirsch sein und führte statt dessen den Sturm auf das Haus eines einheimischen Richters an. Feldmäuse und Wühlmäuse stellten bereits ihr Geraschel im Gras ein. Es war an der Zeit, die Gesetze der Höflichkeit zugunsten des Allgemeinwohls hintanzustellen.
    »Ottern sind keine Jagdbeute für einen Edelmann«, verkündete Sir Hugo. »Ei, in Frankreich überläßt sie der einheimische Adel gar seinen Bauern, die dürfen sie in Fallen fangen.« Sein Ton war so überheblich, daß ihm sein Vater einen bösen Blick zuwarf. Und dabei bemerkte er den albernen französischen Jagdaufzug, in den sich sein Sohn geworfen hatte. Und das erinnerte ihn an die aufreizende Angewohnheit seines Erben, beim Anblick jeder Rose, jeder weiblichen Gestalt auf zehn Meilen die Runde gottserbärmliche französische Gedichte zu plappern. Was Sir Hubert von Brokesford anging, so war die gesamte Invasion in Frankreich eine Katastrophe gewesen – das Gestüt von Brokesford geplündert, ein knappes halbes Dutzend arg verbeulte Rüstungen ergattert, die nur zum

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