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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Weiterverkaufen taugten, keine Lösegelder von Bedeutung und, was das schlimmste war, gute englische sittliche Werte durch abartige und krankhafte fremdländische Ideen verderbt.
    »Ottern kann ich nicht ausstehen«, knurrte der Herr von Brokesford. »In der Fastenzeit sind sie über meinen Fischteich gekommen, und just vor meiner Heimkehr am St. Benediktstag haben sie den großen Aal gefressen, den ich für mich aufgespart hatte.«
    »Wenn Ihr mich fragt«, sagte Sir Roger, ein Mann mit rosigem Gesicht, dem man das Wohlleben ansah und der nur aus Höflichkeit ›Sir‹ genannt wurde, denn er war der Gemeindepfarrer, »so hatte dieser Otter zehn richtige Finger und ging auf zwei Beinen.« Lady Petronilla bedachte Sir Roger mit einem schmalen kalten Blick, der Sir Williams gewitztem Auge nicht entging. Hmm, dachte er. Sir Roger dürfte den Nagel auf den Kopf getroffen haben. Sie hat ihn sich kochen lassen, während Sir Hubert nicht daheim war, und hat die Ottern beschuldigt. Wenn die Katze aus dem Haus ist, tanzen die Mäuse… Auch von diesem Thema mußte man die Unterhaltung fortsteuern.
    »Meines Wissens gehört das Gehölz hinter der Wiese hier Euch, aber gehören die Wälder jenseits des Hügels nun alle Euch oder teilt Ihr sie mit Eurem trefflichen Nachbarn? Ich habe das nie ganz begriffen.« Sir William deutete erneut mit dem Rest des Hühnerschlegels.
    »Oh, stochert nicht darin herum, das ist eine wunde Stelle«, sagte Sir Geoffroi. »Jenseits des Hügels gibt es einen prächtigen Eichenwald, auf den ein Advokat aus Hertford Anspruch erhebt.«
    »Anspruch, ha. Es gibt keinen Rechtsanspruch, wenn das Land nicht zum Verkauf steht, und genau das tut es nicht! Diese Eichen haben der Familie gehört, seit die ersten unseres Namens im Domesday-Buch verzeichnet wurden. Und eines könnt Ihr mir glauben, ein de Vilers verkauft keine Eichen an den Meistbietenden! Mein Großvater, ja, ja, mein eigener Großvater hat sechs davon als Zehnten für das Dach der Kathedrale gespendet und hat den Verlust nie verwunden. So wahr ich lebe, ich dulde es nicht, daß sie an HÄNDLER VERSCHERBELT werden, damit sie davon ihre widerlichen LAGERHÄUSER bauen können. Wenn der zwielichtige Mönch den Rechtsanspruch nicht in Zweifel gezogen hätte, hol's der Teufel, der Advokat hätte nicht GEWAGT…«
    »Oh, seht einmal, ist das dahinten nicht der alte Peter?« fragte Sir William und legte seinem Freund die Hand auf die Schulter, damit dieser sich faßte. Ja, die Gestalt, die aus einem Gebüsch dichter Haselsträucher und junger Eichen kam, war tatsächlich der alte Peter: In Wirklichkeit war er gar nicht alt, sondern nur älter als der junge Peter, sein Sohn, der neben dem Jagdhelfer stand und ein halbes Dutzend Windhunde zurückhielt.
    »Der Hirsch, bei Gott, er hat ihn aufgespürt! Hmph, diesen Hirsch habe ich für Euch aufgespart. Ein edles Tier. Wenn doch der Advokat an seiner Stelle wäre. Nun, das wäre eine Jagd!«

    Sie näherten sich dem Rudel gegen den Wind, doch das Rotwild hörte die Hunde und stob auseinander. Vom Jagdhelfer angefeuert, verlegten die losgelassenen Windhunde dem Hirsch den Weg, so daß er über das Brachland in Richtung der welligen, frisch gepflügten und bestellten Äcker des Dörfchens Hamsby zuhetzte, dem letzten Vorposten im Herrschaftsbereich des Herrn von Brokesford. Beim Anblick des Hirsches flüchteten die kleinen Jungen, die die Vögel verscheuchen sollten. Verfolgt von jaulenden Jagdhunden, schoß der Hirsch über die gepflügten Furchen, die Pferde im gestreckten Galopp hinter ihm her, daß die Lehmklumpen flogen. Und so schnell, wie sie gekommen war, verschwand die wilde Jagd wieder abgesehen von ein paar Nachzüglern, die vom Klang der Hörner in der Ferne über die aufgewühlten Äcker gelockt wurden. Ein Schwarm Saatkrähen ließ sich auf den zerstampften Feldern nieder, und die kleinen Jungen kamen wieder angerannt und bewarfen sie mit Steinen.
    Unter den Birken am Waldrand platschte der Hirsch ein Stück bachaufwärts, um die Hunde abzuschütteln. Die Jagdgesellschaft hielt an, bis das Horn des alten Peters in der Waldestiefe verkündete, daß er die Witterung wieder aufgenommen hatte. Der alte Lord und Sir William setzten sich an die Spitze, brachen durch das Unterholz und ritten hinter Bruno her in den Wald hinein. Hier hatten Förster jahrhundertelang die schwächeren Bäume geschlagen, und so reckten sich nur die verschlungenen Äste uralter Eichen in den Himmel. Die Pferde kamen gut

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