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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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sahen.
    »Wie geht es mit dem Schreiben, Master Will?«
    »Recht gut, recht gut. Ich bin bei der Überarbeitung. Advokaten, Schmeichler, Katzbuckler, Klatschbasen und Zahler von Bestechungsgeldern sind noch zu gut weggekommen. Aber mittendrin ist mir das Geld für Tinte ausgegangen.«
    »Herein, herein, Master Will. Die Bürde des schnöden Mammons drückt auch uns derzeit nicht, aber wenn Ihr Euer Tintenhorn dabeihabt, so kann ich Euch von der Tinte im Studierzimmer meines Mannes abgeben.«
    »Ist Sir Gilbert noch nicht zurück? Wie ich höre, hat das Heer in Hütten gehaust und Ratten gegessen. Vielleicht köchelt auf Eurem Feuer ein Stückchen, hmm, nicht einmal eine Hammelschulter. Allmählich gleicht Euer Haus dem meinen, Dame Margaret – nur größer natürlich. Welch sündige Welt, wenn Kaufleute gedeihen, während Ehrenmänner wie die Tiere hausen müssen, ah, mmm, ein ausgezeichneter Käse, dieser…«
    Weil Master Will in der ganzen Stadt herumzieht und den Menschen Buße predigt, ist er eine sehr gute Nachrichtenbörse. Während er aß, was wir zu bieten hatten, hörten wir, daß die ersten Soldaten bereits in der Stadt, ja, mit dem Herzog höchstpersönlich eingetroffen waren, denn der war gekommen, um König Jean übers Meer nach Calais zurückzubegleiten, weil das eine Bedingung des Friedensvertrags war. Dann hörten wir alles über die Sünden hier vor Ort, über die er genau Buch führte. Und wir hörten Beispiele, wie Hochmut vor dem Fall kam, was immer interessant ist. »Und auf dem Cheap ist die Witwe eines Edelmanns doch wahrhaftig vor Hunger ohnmächtig geworden – so geht man in diesen bösen Zeiten mit den Witwen von Helden um! Ihr kennt sie, glaube ich, Dame Agathe, sie wohnt in der Fenchurch Street im Haus ihres Schwagers. Sie ist dem Mann ein Dorn im Auge, und er setzt sie an der Tafel zu weit nach unten. Und sie ißt lieber gar nichts, als zu weit nach unten gesetzt zu werden. Eine wahre Lady! Ich sagte zu ihr, geht zu Dame Margaret, Ihr kennt sie, sie würde Euch mit Freuden aufnehmen, und sie sagt, niemals, gesagt ist gesagt, und eine Frau von Adel steht zu ihrem Wort. Hochmut, sage ich, kommt vor dem Fall.« Du meine Güte. Madame. Ihr war es offensichtlich nicht gut ergangen, seit sie hier keinen Französischunterricht mehr geben wollte.
    Mir fiel auf, daß die Mädchen sich ausschwiegen und mit Feuereifer Brotteig kneteten.
    »Was nun die Tinte betrifft…«
    »Ihr könnt welche haben, Master Will«, sagte ich und wischte mir die Hände an der Schürze ab.
    Master Wills hochgewachsene, schlaksige Gestalt war kaum durch die Küchentür verschwunden, als die Mädchen ihr uncharakteristisches Schweigen aufgaben.
    »Mama, bitte, bitte, hol Madame nicht zurück«, sagte Cecily.
    »Sie ist so was von gemein«, unterstützte Alison ihre Schwester.
    »Sie hat euch sehr gut Französisch beigebracht, und sie ist nicht gemein, sondern streng«, erwiderte ich.
    »Ewig macht sie Vorschriften. Höfische Manieren sind gräßlich langweilig«, sagte Alison.
    »Ja, und sie behauptet, Ladys lassen Jungen beim Spielen gewinnen«, sagte Cecily.
    »Und sie lassen Jungen immer das größte Stück auf dem Teller nehmen«, schimpfte Alison.
    »Und sie hat gesagt, daß Jungen zuerst sprechen dürfen, weil sie klüger sind als Mädchen und einmal Männer werden und sich um weltliche Angelegenheiten kümmern. Aber Peter Wengrave ist so schwer von Begriff, der kennt noch nicht einmal alle Buchstaben und heult, wenn der Lehrer ihn verprügelt, und ich kann schon lange lesen«, sagte Cecily.
    »Und dann die Finger, Mama«, sagte Alison.
    »Welche Finger?« fragte ich.
    »Die Finger, mit denen man sich etwas nimmt. Erster und dritter für ein Gericht, erster und zweiter für ein anderes, und ja nicht mit dem kleinen Finger anfassen, und die Finger niemals tiefer als bis zum ersten Glied in die Sauce tunken. Haufenweise Vorschriften nur für die Finger. Ich sehe nicht ein, wozu eine Lady Fingerregeln braucht und immer das kleinste Stück kriegt. Wo es mit der ganzen Hand viel besser geht.«
    »Alison, du kannst dir nicht dein Leben lang das größte Stück Huhn nehmen und dich bis zum Ellenbogen mit Sauce bekleckern. Eure Manieren müssen noch viel, viel besser werden.«
    »Bitte, bitte, nie mehr Madame«, riefen sie einstimmig. Ich seufzte. Mehr Madame wäre genau richtig für sie. Ich war wohl nie streng genug mit ihnen.
    »Von Madame droht euch keine Gefahr«, sagte ich. »Sie will nichts mehr mit uns zu tun

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