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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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haben.«
    »Dann müssen wir also keine Ladys werden?«
    »Aber ja, Ladys müßt ihr trotzdem werden.«
    »Könnten wir nicht statt dessen Piraten werden?« fragte Alison.
    »Ein schöner Pirat, der Zuckerzeug stibitzt…« antwortete ihre Schwester.
    »Wenn ich Piratenkönig werde, wirst du bloß einfacher Seemann, weil du gar nicht weißt, was sich mitzunehmen lohnt. Du willst doch nur immer klettern, dich in den Pfirsichbaum setzen und träumen.«
    »Das stimmt nicht…«
    »Kinder, Kinder, ihr habt den Teig im Backtrog noch nicht genug geknetet. Seht ihr? Wenn man ihn breitdrückt, schnurrt er nicht zurück. Daran merkt man, daß er noch nicht durch ist.« Ich drückte ihren Teig breit, um ihnen zu zeigen, daß er sich nicht rührte. Dann drückte ich meinen breit, und der schnurrte zurück.
    »Uff, wie ein Riesenwurm – wie die Innereien von einer Muschel, der ist ja lebendig…«
    »Nicht darin herumstochern, Alison. Wenn er schön aufgehen soll, muß man ihn freundlich behandeln. Und du, Cecily, keine Schnute bitte. Mürrische Mädchen säuern das Brot, und das Ale gärt nicht.«
    »Ja, Mama, und viele Mädchen sind schon geplatzt, weil sie rohen Teig gegessen haben.«
    »Cecily, sei nicht so naseweis.«
    »Lady, Lady, kommt schnell, auf der Straße sind Soldaten!« Perkyn, der Verwalter, stürmte mit der Kunde in die Küche und strahlte übers ganze Gesicht. Wir vergaßen den Brotteig und rannten zur Haustür. Aus allen Fenstern in der Thames Street beugten sich die Menschen. Wir konnten Freudengeschrei hören, indes Hausbesitzer Wandbehänge, Tischtücher und was ihnen sonst in die Hände fiel holten, um sie als Willkommensgruß aus den Fenstern im oberen Stockwerk zu hängen. Unten auf der Straße nahte ein äußerst merkwürdiger Zug. Die gut zwei Dutzend Pikeniere und Bogenschützen aus dem Kirchspiel Billingsgate marschierten mit dem Gepäck auf dem Rücken und mit ihren ledernen Schuppenpanzern bunt durcheinander. Ihnen folgten eine Mauleselsänfte und ein Junge vom Landgut meines Schwiegervaters, der Old Brownie führte, die älteste Schindmähre aus dem Stall von Brokesford; das Pferd war mit Kisten und Bündeln beladen. An der Sänfte waren die Fahnen der de Vilers befestigt, aber so windschief, daß sie wie heiterbesäuselt wirkten. In der Sänfte ruhte lässig wie ein König mein allerliebster Gregory im langen Reitmantel und mit dick geschientem Bein und winkte den Gesichtern, die sich an den Fenstern drängten, fröhlich zu. Wie ein Krieg auch ausgeht, man kann unserem Kirchspiel nicht nachsagen, daß es seine Pfarrkinder nicht willkommen heißt.
    Von oben bis unten mit Mehl bestäubt und mit umgebundener Schürze stürzte ich nach draußen und fiel Gregory in die Arme. Hinter mir drängelten sich Kinder, Hausgesinde und Nachbarn.
    »Du hast mir so gefehlt«, sagte ich, und als wir uns küßten, brandete Jubel auf.
    »Du mir auch«, sagte er. Dann sah er sich mit belustigt funkelndem Blick um. »Schau dir das an, Margaret. Vergangenen Sommer bin ich als nichtsnutziges schwarzes Schaf ausgezogen, und heute kehre ich als Held zurück, so kann der Krieg die Meinung der Menschen ändern.« Alle wollten ihn berühren, wollten jubeln, wollten Anteil nehmen. Auf seinem Schoß lag eine Krücke.
    »Was ist dir zugestoßen?« sagte ich und musterte das kranke Bein.
    »Ei, das ist nicht weiter schlimm. Ich stehe beim Herzog hoch in Gunst, bin aber so schwer verwundet, daß ich nicht mit ihm und König Jean nach Calais zurück muß. Ich treffe ihn in Leicester Castle, wenn er wieder daheim ist, und hole alles nach. Habe ich ein Glück gehabt!« Als die anderen Herzog und Castle hörten, packte sie die Ehrfurcht. Er wandte sich an den Vorreiter auf dem Leittier. »Stell die Maulesel heute Abend zu Old Brownie in den Stall. Margaret, ich habe versprochen, sie unterzubringen, bis wir sie morgen im herzoglichen Stall im Savoy abliefern können.« Inzwischen war Peregrine auf seinen Schoß geklettert und strahlte, als sein Vater ihn in die Arme nahm. Ich hörte eine Frau flüstern:
    »Seht ihr die Fahnen? Das ist der einzige Erbe von Brokesford.« Wenn man sie so hörte, sollte man meinen, das verfallene alte Gemäuer wäre so groß wie Leicester Castle. Wie gut, daß sie weder das eine noch das andere je zu Gesicht bekommen hat, dachte ich.
    »Wir haben kein Futter mehr. Ich – ich habe die Pferde aufs Land geschickt…« sagte ich. Peregrine krähte.
    »Papa, Papa wieder da.« Komisch, daß er sich nicht

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