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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Bäume. Und auch an Margaret mit ihrer blassen Eindringlichkeit, ihrem trügerisch friedfertigen regelmäßigen Profil und ihren golden auffunkelnden Falkenaugen, wenn sie entschlossen war, ihren Kopf durchzusetzen. Und vor seinem inneren Auge erschien ein Bild, eine Art Traumbild oder Tagtraum. Es war das Bild von Margaret, wie sie in der Fremde ihr Leben gegen Gilberts verwettete und mit präparierten Würfeln spielte. Vergangenes Jahr waren Spielleute durch Brokesford gekommen, die hatten es als Lied mitgebracht. Die ganze Geschichte wurde bereits zur Legende. In Wirklichkeit war sie ein Skandal, da eine Frau an den heimischen Herd gehörte, statt zu fremdländischen Verliesen zu vagabundieren.

»Lady Margret nun holete
îr kastelîn aus gold
nâm mit der pfaender dreye
daz sî den gaten hold
auz kerkerhaft befreye…«

     Diese Margaret ist keine Lady, dachte er, würfelt mit Ausländern und läßt sich auch noch in Liedern besingen. Ganz und gar nicht ehrbar. Aber sie ist auch keine gewöhnliche Frau. Vielleicht brauchen wir sie am Ende doch.
    Als er jedoch das hohe Haus in der Thames Street verlassen wollte, kam es fast doch noch zu einem Wutausbruch.
    »Eure Sporen, Vater. Die habt Ihr vergessen. Die dürft Ihr nicht tragen.«
    »DÜRFT NICHT. DÜRFT NICHT! WAS SOLL DAS HEISSEN, ICH DARF NICHT! Ein Reiter ist immer gespornt, außer im Bett. Es beweist, daß er ein Pferd besitzt und eine bedeutende Persönlichkeit ist.«
    »Ihr könnt nicht das meiste verbergen und die Sporen anbehalten«, sagte sein Sohn mit dieser verfluchten Logik, die er so messerscharf handhabte. Die Bäume, redete sich der alte Lord gut zu und stellte sich vor, wie der Wind im Laub der alten Eichen raschelte. Denk vor allem an die Bäume und hör dir an, was dieser anrüchige Alchimist zu sagen hat. Er schnallte die Sporen ab und steckte sie in den Beutel an seinem Gürtel, falls er doch irgendwo zeigen mußte, wer er war.

    Jetzt hatten sie die einigermaßen anständige Gegend hinter sich und kamen aus einer heruntergekommenen Straße in eine Gasse der niedersten Art. Sein Sohn hatte sich forschen Schrittes an die Spitze gesetzt, an seiner Seite stumm und blaß die Frau seines Sohnes, eigenartig schlicht gekleidet und mit hochgeschlagener Kapuze. Auf einem Berg Unrat inmitten der Gosse stand eine einsame Gans und beäugte ihn. Er erwiderte den Blick mit hartem blauem Auge. Die Gans war beleidigt, zwinkerte mit den schwarzen Äuglein und watschelte davon. Das erste Stockwerk der alten Fachwerkhäuser kragte über die Gasse hinaus. Er blickte hoch und merkte, daß sich die Häuser wie betrunken aneinanderlehnten. Hier hätte ich ohnedies nicht reiten können, dachte er. Die Gasse ist oben versperrt. Wie, in drei Teufels Namen, hat Gilbert überhaupt Menschen kennengelernt, die hier wohnen?
    »Wie, hast du gesagt, nennt sich das hier?« fragte der Sieur de Vilers und machte einen großen Bogen um einen Fäkalienhaufen.
    »Das hier ist unter dem Namen ›Diebesgasse‹ bekannt«, sagte sein Sohn. »Habt Ihr die Mützen und Kapuzen gesehen, die hier feilgeboten werden? Allesamt gestohlen.« Sein Sohn trug ein abscheuliches, formloses graues Gewand aus selbstgewebtem Stoff und hatte die Kapuze hochgeschlagen.
    »Habe ich dir nicht befohlen, das Ding da zu verbrennen?« sagte der alte Ritter.
    »O ja. Aber Ihr müßt zugeben, daß es doch noch zu etwas nutze ist«, gab der undankbare Junge zurück. Da kann man sich noch soviel Mühe geben, bei der ersten Gelegenheit werden sie rückfällig. Das macht das Blut seiner Mutter. Abartig, ja das war sie. Wie konnte es nur geschehen, daß ich das Schicksal meiner Eichen Irren anvertraut habe, auch wenn einer von beiden der Familien-Irre ist?
    »Wir sind da«, sagte Gilbert und hob den Türklopfer aus Messing, der wie ein Affenkopf geformt war. Bedächtig und mit dem scharfen Auge des Jägers begutachtete der Sieur de Vilers die Einzelheiten des kleinen Raumes, der sich vor ihm auftat, und die bescheidene alte Frau im adretten grauen Kleid mit weißem Schleier, die ihnen aufgemacht hatte. Sie verneigte sich zur Begrüßung, jedoch nicht tief genug, und dann sah er, daß die Frau seines Sohnes sie in die Arme schloß. Doch im Zimmer überlief es ihn kalt. Es roch nach Kräutern und eigenartig beißend nach Metall und Rauch, und zwischen den leuchtendroten Sparren hatte jemand die Tierkreiszeichen aufgemalt, fremdartige Kreaturen und Ungeheuer und nackte Menschen mit Sternen auf gewissen Körperteilen.

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