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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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vor Zorn platzte. Aber es war kein Ritter zur Stelle, der ihr zu Hilfe eilen konnte, und der Bauernschar wäre es gewiß nicht recht, wenn man ihre kleinen Göttinnen unehrerbietig bei den niedlichen Öhrchen packte und sie fortzerrte.
    In Madames Seele kochte und brodelte es fast wie in der Quelle mitten im Weiher. Sie mußte mit ansehen, wie die kleinen Mädchen girlandengeschmückt und singend ins Wasser wateten. Sie biß sich wutentbrannt auf die Lippen, als sie das Lied hörte, einen sehr alten chanson de toile, den ausgerechnet sie ihnen auf französisch beigebracht hatte. Diese alte Ballade, mit der sich die Herrinnen großer Burgen beim Weben die Zeit vertrieben hatten, war ein durch und durch weltliches Liebeslied. Die gottlosen kleinen Ungeheuer wußten nur zu gut, daß die Bauern hier kein Wort Französisch verstanden, geschweige denn ein so veraltetes Französisch. Sie mußten die Ballade für eine heilige Anrufung in einer uralten Sprache halten. Oh! Kein Wunder, daß die Mädchen sich letztens nicht mehr über Langeweile beklagt haben! Sir Gilbert hat mich gewarnt, aber selbst er hat mir nicht verdeutlicht, wie unendlich schamlos sie sich aufführen können! Mir fehlen die Worte! Wie konnte ich nur so blind sein! Sie haben mich hereingelegt! Sie haben ihre Mutter hereingelegt!
    Jetzt boten die Mädchen die Girlande dem Weiher dar, und während das Gebinde auf den grünen Strudel rings um die brodelnde Mitte zutrieb, nahmen sie die Opfergaben, die die Bauern ihnen aufdrängten. Sie wateten damit ins Wasser, und die Menge rief: »Bewahre unsere Tiere! Erhalte unsere Ernte!« Dann schleuderten die Mädchen die Opfergaben so weit wie möglich zur Weihermitte. Die kleinen Törinnen, dachte Madame, wenn sie noch weiter gehen, werden sie hinuntergezogen. Aber gerade, als sie das dachte, geschah etwas, was ihr das Blut in den Adern gerinnen ließ.
    Die Quelle machte einen Laut, der sich wie »blubb, blabb, blobb« anhörte, spuckte einen kleinen trüben Fleck aus und hörte auf zu brodeln und frisches, liebliches Wasser hochzusprudeln. Ein grausiger Schatten glitt durch das grüne Wasser auf die Mädchen zu. Ohne nachzudenken, betete Madame unaufhörlich das Vaterunser, während der Schatten die Knie der Mädchen umkreiste. Madame konnte nicht ausmachen, was das war, aber das Jubelgeschrei der Menge ließ sie vermuten, daß es sich um den heiligen Aal handelte. Das dürfte der größte Aal auf der ganzen Welt sein, dachte sie. Wie alt er wohl ist? Wie lange er wohl schon im Weiher lebt? Wovon ernährt er sich überhaupt? O mein Gott, dachte sie. Er frißt Brotpüppchen und Hühner und gelegentlich einen Priester. Sie bekam eine Gänsehaut, so sehr entsetzte sie sich. Wie konnten die Mädchen ihn nur an sich heranlassen? Sie dachte an Cecily, die so furchtlos den Baum hochgeklettert war. Zu jung, um zu wissen, wovor man Angst haben muß, dachte sie. Jetzt haben sie sich auf ein gefährlicheres Spiel eingelassen. Selbst die Bauern wagen es nicht, ins Wasser zu gehen.
    Inzwischen umrundete der dunkle Schatten nicht mehr die Schienbeine der Mädchen, sondern glitt in Wellenbewegungen auf die Teichmitte zu.
    »Er hat geantwortet!« rief eine alte Frau.
    »Wir sind gerettet!« schrien die Bauern, während Cecily und Alison mit tropfnassem Kleidersaum aus dem Wasser kamen. Madame bemerkte, daß Cecily sich das Messer in den Gürtel gesteckt hatte. Und dann geschah etwas ungemein Seltsames. Es machte fröhlich blubb, blubb, blubb, und Girlande, Huhn und all die anderen Dinge, die man in den Weiher geworfen hatte, wurden zur Mitte gesogen und verschwanden. Und dann gurgelte es, ein Wasserstrahl schoß hoch, und die Quelle mitten im Weiher brodelte und wallte wie eh und je.
    Madame hatte genug gesehen und sich überzeugt, daß den Mädchen keine unmittelbare Gefahr drohte, und so humpelte sie mit dem Beutel in der Hand davon und suchte das Versteck, wo sie Margarets Pferd angebunden hatte. Ich bin älter als diese Lady, dachte sie, und außerdem geschieht es der Frau ganz recht, wenn sie barfuß nach Brokesford zurücklaufen muß. Ehe sie aufstieg, warf sie einen Blick in den Beutel und fand genau das, was sie vermutet hatte. Zwei scharfe Sporen, ein Paar weiche Lederstiefel und ein wunderschön gezaddeltes und besticktes grünes Reitkleid. Hmpf, dachte Madame. Welche Erklärung sie wohl für den schwarzen Schleier hat, wenn sie heimkommt? Was für Narrenpossen! Nicht zu fassen, daß man sie so lange geduldet hat. Ein

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