Die Zauberquelle
de Vilers sein würde.«
»Ach, und sieht er nicht schon wie ein kleiner Ritter aus? Falls Gott ihn bewahrt, wird er eines Tages ein vornehmer Edelmann.«
Die da redeten standen so weit hinten, daß die Männer sie nicht hören konnten, aber etwas davon drang an die scharfen Ohren der kleinen Mädchen, die hinter den Frauen ritten. Und obwohl zur Feier des Tages jede ihr eigenes Pferd hatte und Old Brownie im Stall bleiben durfte, bekamen sie heiße Ohren. Malachi soll sich mit dem Stein der Weisen lieber beeilen, dachte Cecily. Ich habe es so satt, immer an letzter Stelle zu reiten. Alison war rot vor Zorn, dann kratzte sie sich am Kopf, daß ihr der Blumenkranz aufs Ohr rutschte. Es war heiß und langweilig, und bis zum Fest mußte sie noch viele Stunden mit Beterei verbringen, und es verlockte sie, etwas anzustellen.
Zum Glück für jedermann konnte sie dieser Verlockung nicht nachgeben, denn in der Ferne bog der Trupp des Kanonikers um ein Gehölz und kam in Sicht. Der Kanoniker in seiner Pracht wurde allen Erwartungen gerecht. Selbst von hier aus konnte man das Klingeling der Silberglöckchen am Harnisch seines weißen Maulesels hören und den eleganten Purpur seiner mit Hermelin verbrämten Gewänder ausmachen. Neben ihm ritten zwei schlicht gekleidete Priester, und hinter ihm gingen drei Geistliche zu Fuß. Und hinter denen ritt, o Wunder über Wunder, auf einem kastanienbraunen Zelter, umringt von Mönchen zu Fuß, die die Klosterfahnen trugen und im Dahinschreiten psalmodierten, der Abt höchstpersönlich. Die Aussicht auf so viel Heiligkeit auf einen Schlag versetzte die Dorfbewohner in Entzücken, und jeglicher Gedanke an Quellen und Aale und nächtliches Zauberunwesen verflog und löste sich in Luft auf.
Als die beiden Trupps sich begegneten und Sir Huberts Kaplan dem Kanoniker den Kirchenschlüssel übergab, damit dieser ihn dem neuen Priester feierlich überreichen konnte, ging nur ganz wenig schief, doch das störte die Festesfreude kaum. Denn während man sich in Höflichkeiten erging, beglückwünschte der Kanoniker Sir Hugo zu dem prächtigen Sohn. Der neue Priester zuckte zusammen und dankte Gott ein ums andere Mal, daß diese Bemerkung nicht ihm unterlaufen war, denn Sir Hugo sagte mit einer Stimme wie tausend Eiszapfen, daß der Junge der Sohn seines Bruders sei. Doch der Kanoniker, der mit Eisen und Messing beschlagen war, meinte strahlend, das mache gar nichts, gewiß würde ihn seine Gemahlin schon bald mit einem Sohn erfreuen, er sei mit einem Großonkel ihres Vaters befreundet, und die Familie sei ungemein fruchtbar. »Heckt wie die Kaninchen, diese Familie, zuweilen zwei auf einmal.« Als Sir Hugos sonst so taktloser Vater sah, wie seinem Sohn die Röte zu Kopf stieg, verhinderte er den bevorstehenden Ausbruch, indem er mit der dick behandschuhten Hand in Richtung Burg wies.
»Leider liegt Lady de Vilers krank im Kindbett danieder«, sagte er, und der neue Priester zuckte schon wieder zusammen.
»Habe ich es nicht gesagt? Wie die Kaninchen, die Frauen der de Brocs! Ich schaue nach dem Gottesdienst vorbei und erteile ihr meinen Segen. Habt Ihr nicht gesagt, sie würde am Fest teilnehmen?«
»Falls sie sich dazu wohl genug fühlt«, sagte Sir Hubert und führte seine anarchische Familie gelassen an ihren Platz hinter der kirchlichen Prozession, und der Kanoniker gab seinem Maulesel die Sporen.
Jedermann war der Meinung, etwas so Schönes wie diesen Zug hätte das Dorf seit der Beisetzung von Sir Huberts Gemahlin vor über zwanzig Jahren nicht mehr zu sehen bekommen, und selbst dazumal hatte man nicht so viele psalmodierende Mönche gehabt. Und die Alten aus dem Dorf erinnerten sich, daß der Sarg der guten Lady wegen ihrer Heiligkeit und ihrer guten Werke und wegen ihres unaufhörlichen einsamen Betens in der eisigen Kapelle, das ihr Tod gewesen war, nach Rosen geduftet hätte. Darauf schwiegen alle, denn der Unterschied zu der gegenwärtigen Lady de Vilers, die man im Turmzimmer einsperren mußte, war einfach zu kraß.
»Sir Gilbert gleicht dieser gnadenreichen Frau aufs Haar«, bemerkte ein alter Kauz.
»Sie hatte ihn auch für die Kirche vorgesehen, o ja.«
»Gut, daß er nicht dabei geblieben ist. Sonst würde die Burg an Fremde fallen.«
»Oder an den Abt da«, sagte sein Gefährte und deutete mit dem Kopf in Richtung des Abtes, einem beeindruckenden Menschen mit mehrfachem Doppelkinn und habgierigem Blick, wie alle fanden. Das Los der Bauern auf Klosterland war als hart
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