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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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begrüßen?«
    »Ich würde mich nicht schämen, in diesem Aufzug selbst vor Gott zu treten. Ich kleide mich in Gerechtigkeit«, erwiderte Madame. »Daß ich mir das Gewand zerrissen habe, geschah meinen beiden kleinen Schützlingen zuliebe, sonst hätte die Irre sie noch am Weiher erschlagen.« Man mußte sie einfach bewundern. Die lautere Wahrheit war es nicht, aber es hätte durchaus so sein können und reichte, daß der alte Mann aufmerkte.
    »Falls es sich so verhält«, sagte er, »dann habt Ihr diesem Haus einen Dienst erwiesen. Ihr sollt Euch morgen nicht vor den Kirchenfürsten und unseren hohen Gästen schämen müssen. Margaret, geht zu der eisenbeschlagenen Truhe in meiner Kammer und kleidet sie von Kopf bis Fuß neu ein. Ich will es so. Noch bin ich Herr von Brokesford.« Hugo und Gilbert blickten sich mit offenem Mund an. Cecily und Alison machten große Augen, das Gesinde machte große Augen, und als sich alles draußen herumsprach, machten auch die Bauern große Augen, wie ich später hörte. Der Haß des alten Mannes auf Madame hatte in der Burg bereits mythische Ausmaße angenommen.
    Gewiß war er der größte Edelmann der ganzen Christenheit, wenn er sie trotz ihrer Widerborstigkeit mir nichts dir nichts so fürstlich beschenkte.
    Ich merkte, daß Sir Hubert genau wußte, daß er Eindruck gemacht hatte – auf den Rest der Welt, auf seine Familie und sogar auf sich selbst. An seiner selbstgefälligen Miene konnte ich ablesen, daß er sich noch immer so weit erhaben über diese kleine Welt dünkte wie Gott über die große. Seine Güte regnete auf Gerechte und Ungerechte gleichermaßen, so wie Gott es auch bei den Heiden regnen läßt. Ein Wunder, daß er nicht brüllte: »Ha! Da seht ihr's. Wer versteht mehr von Ritterlichkeit, eine scharfzüngige alte Lady oder ich!« Er verschränkte die Arme und schaffte es, überheblich und zufrieden zugleich auszusehen, während ich mich abwandte und Madame nach oben zu den Truhen führte, in denen er seine französische Beute und die gefalteten Kleider seiner längst verstorbenen und wenig betrauerten seligen Frau aufbewahrte.
    »Vater«, hörte ich Gilbert sagen, als ich den Raum verließ, »hier ist seit unserem Aufbruch viel geschehen…«
    »Was geschehen ist, ist geschehen. Ich erwarte von euch beiden, daß ihr mir dabei helft, alles bis nach der Zeremonie unter der Decke zu halten. Die Hauptsache ist, daß Brokesford vor den Gästen keine Schande einlegt. Ich will keinen Skandal, der Stoff für spätere Legenden bietet. Habe ich richtig gehört, hat deine Frau etwas von einem Kissen…?«

Kapitel 18
    H eller Spätsommersonnenschein glänzte auf Brokesfords gülden bestickten Fahnen, auf den blankgeputzten Pferdeharnischen der schönsten Pferde im Stall und auf den kostbaren, unsichtbar geflickten Seidenlivreen des Burggesindes. Man hatte sich auf der staubigen Straße am Dorfausgang zu einem großen Zug gesammelt, dem die Dorfbewohner im Sonntagsstaat folgten, um die Prozession der Priester und Geistlichen mit dem Kanoniker von der Kathedrale und dem neuen Priester, die vom Kloster herangeritten kam, zu begrüßen. Noch nie hatten Sir Hubert und seine Söhne in ihren schönen Surkots mit dem aufgestickten Wappen der de Vilers eindrucksvoller ausgesehen. Einem schärferen Auge wäre vielleicht aufgefallen, daß Sir Hugo neuerdings verbittert und Sir Gilbert von Zeit zu Zeit eigenartig bang blickte. Niemand jedoch wagte, darauf hinzuweisen, daß Sir Hugos Frau unter den Frauen in der Nachhut des berittenen Trupps fehlte. Statt dessen wurde einhellig bewundert, wie der kleine Peregrine, den die ganze Pracht einschüchterte, neben seinem Großvater auf seinem eigenen Pony ritt, das zwei Knechte zu Fuß führten.
    »Der einzige Erbe«, tuschelte man. »Seht ihn euch an, so jung und sitzt schon so gerade.«
    »Guckt mal, der Ponyharnisch. Tom der Sattler hat auf Sir Huberts Befehl eine genaue Nachahmung seines eigenen Kriegssattels angefertigt.«
    »Und was wird aus Sir Hugo?«
    »Dem hat es die Petersilie verhagelt, es sei denn, er steckt sie – na, ihr wißt schon…«
    »Dann hält er also dem eigenen Neffen den Platz warm.«
    »Ist auch besser so, er soll furchtbar verschwendungssüchtig sein…«
    »Warum heißt der Junge eigentlich Peregrine? Der Name ist in der Familie doch nicht üblich.«
    »Weil er in der Fremde geboren wurde. So was soll der Name jedenfalls bedeuten. Damals war noch kein Gedanke daran, daß er einmal der einzige Sohn des Hauses

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