Die Zauberschatten - Goryydon #2 (German Edition)
Schütteln.
»Aufgewacht, Mädchen.«
Ein Winkel ihres verschlafenen Hirns gaukelte ihr Kaffeeduft und frische Brötchen vor. Ihr Magen knurrte vernehmlich und sie setzte sich auf. »Oh Gott«, stöhnte sie und rieb sich die Augen, ehe sie sich einem widerlich gut gelaunten Ku’guar zuwandte.
»Meinst du, dein Gott findet es in Ordnung, wenn du ihn immerzu anrufst?«, unkte er.
»Gott ist tot«, wandte sie gähnend ein.
Er wirkte schockiert.
»Habe ich deine religiösen Gefühle verletzt? Was für ein herziges Kerlchen du bist«, sagte Michaela mit gutmütigem Spott. Ku’guar mochte gewaltig einen an der Klatsche haben, doch er stand ihr und Kalira bei. Das wollte sie ihm positiv anrechnen.
Er schüttelte den Kopf und kniff seine Augen zusammen. »Auch mein Gott ist tot.« Ku’guar drehte sich um und murmelte etwas, das sich anhörte wie: »Das hoffe ich wenigstens.«
Sie streckte sich stöhnend. Noch ein paar Nächte auf der harten Erde und sie würde sich kaum mehr rühren können. »Ich spekuliere darauf, dass wir bald ein Telefon erreichen. Außerdem brauche ich eine heiße Dusche und was Ordentliches zu essen. Und zwar in genau der Reihenfolge.«
Er warf ihr einen seiner verständnislosen Blicke zu, zuckte mit den Schultern, befestigte die Trage mit Kalira am Pferd und trat das Feuer aus.
»Du hast uns gestern einfach allein zurückgelassen«, beschwerte sich Michaela, während sie die Decke zusammenrollte und an seinem Rucksack festzurrte.
»Ich kam zurück, nachdem du eingeschlafen warst.«
Michaela musterte ihn misstrauisch. Sie verstand sich darauf, die Lügen eines Mannes zu durchschauen.
Er hatte sie soeben schamlos belogen und schien nicht den Hauch von Gewissensbissen zu verspüren.
»So? Wie rührend.« Dieser Idiot! Das zahlte sie ihm noch heim.
Sie redeten an diesem Tag wie am vorangegangenen nicht viel miteinander. Nachdem Michaelas Versuche, eine Unterhaltung über Unverfängliches, wie Musik und Filme, zu führen, im Sande verlaufen waren, wusste sie nicht, über was sie hätte plaudern können, zumal Ku’guar ohnehin wenig gesprächsbereit wirkte.
Sie wanderten ohne Unterbrechung bis zur Mittagszeit, ehe sie eine kurze Pause einlegten. Sie teilten Brot und Käse und tranken Wein aus einem Schlauch. Nach dem Essen marschierten sie weiter.
Kalira lag immer noch bewegungslos auf der provisorischen Liege. Hätte sich ihr Brustkorb nicht regelmäßig gehoben und gesenkt, hätte Michaela sie für tot gehalten.
Abends steuerte Ku’guar erneut eine Ansammlung von Bäumen an. Hinter den blau funkelnden Bergen im Westen versank die Sonne.
»Ich werde dich bis Sonnenaufgang allein lassen«, verkündete Ku’guar und stellte seinen Rucksack neben Michaela ab. Er drückte ihr die Zügel in die Hand.
»Such ein sicheres Nachtlager zwischen den Bäumen.«
Sie starrte dem jungen Mann hinterher und kickte den Rucksack zornig unter einige Sträucher. »Leck mich«, rief sie und stemmte ihre Hände in die Hüften. Wieso tat sie eigentlich, was ihr dieser Geisteskranke auftrug? Sie blickte sich um und führte das Pferd in das Wäldchen. Sie band es an einem der Bäume fest und tätschelte seinen Hals. »Sei brav und warte hier auf mich. Ich bin gleich wieder da.« Dann stürmte sie Ku’guar hinterher. Ihm zu folgen war nicht schwer, er legte ein gemächliches Tempo an den Tag. Sollte er krank sein? Sein Gang wirkte unsicher und ein paar Mal streifte er Baumstämme. Davon unbeirrt drang er weiter ins Dickicht vor und verschwand inmitten dichten Buschwerks.
Michaela näherte sich und erhaschte einen Blick auf ihn, als er zum Stehen kam. Er hatte sich ein geschütztes Plätzchen ausgesucht. Als die Sonne tiefer sank, wurde es zwischen den Bäumen rasch dunkel.
Sie sah Ku’guar auf die Knie fallen. Er stieß ein animalisches Heulen aus, das ihr einen Schauder über den Rücken jagte. Sie schlich näher.
Ku’guar zuckte wie unter epileptischen Krämpfen. Er fingerte an seiner Hose und öffnete die Schnur, die die Beinlinge an dem Schurz festhielten, ehe er auf den Rücken fiel und sich laut keuchend im Gras wälzte. Sein Gesicht verzerrte sich. Schweiß glänzte auf seiner Haut.
Ku’guars Gliedmaßen schrumpften, verjüngten sich und wirkten behaart. Die Kleider fielen von seinem Körper und jetzt sah sie das sandfarbene Fell, das seinen Körper bedeckte. Sein Gesicht veränderte sich, wurde flacher, runder. Der Kiefer schob sich vor. Seine Zähne schienen zu wachsen. Sein Leib formte
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