Die Zauberschatten - Goryydon #2 (German Edition)
ließ sie zögern.
»Hör mich an.« Das Flehen in der Stimme hielt sie zurück.
»Also?« Sie schnipste ungeduldig gegen ihren Oberschenkel.
»Ich bin an diesem Ort gefangen.«
»Wo?«
»In einer Welt zwischen dieser und dem Reich der Heimgekehrten. Ich habe versucht, mit Juliane und Aran Kontakt aufzunehmen, aber ich kann nicht zu ihnen durchdringen. Du musst mir helfen.«
»Na ja, ich kann Juliane ans Handy …«
»Unmöglich, nein. Ich brauche deine Hilfe.«
Sie war verwirrt und gleichzeitig neugierig. Was könnte sie schon tun? Sie musste sich ein Lächeln verkneifen. Eine reizvolle Vorstellung, dass sie in dieser Welt eine wertvolle Hilfe sein konnte. Außerdem schien das ein wenig Abwechslung und Abenteuer zu versprechen.
»Was kann ich tun?« Im selben Moment, da sie die Frage stellte, wusste sie, dass es kein Zurück mehr gab.
»Lass mich in deinen Körper«, verlangte Ranon.
Sie war geschockt, was forderte er da von ihr?
»Wie meinst du das?«
»In meinem augenblicklichen Zustand kann ich nichts tun. Kloob ist ein gefährlicher Gegner. Ihr werdet jede nur erdenkliche Hilfe benötigen, die ihr bekommen könnt. Du musst nichts weiter tun, als mir zu erlauben, in deinem Körper zu verweilen und du darfst keinem davon erzählen.«
Das hörte sich an, als brauchte Ranon nur eine Transportmöglichkeit. Ob sie Taxi spielen wollte? Das würde sicher nicht schaden, oder?
»Warum ich? Warum nicht Juliane oder Aran?« Sie war nicht sicher, ob sie sich bereit fühlte, sich auf übernatürliche Spielereien einzulassen.
»Es ist mir unmöglich, zu ihnen durchzudringen. Ich habe es versucht.«
Michaela nickte langsam, bis ihr einfiel, dass er das vermutlich nicht sehen konnte.
»Ich behalte die Kontrolle über meinen Körper?«
»Ich werde nichts tun, was du nicht erlaubst.«
»Du wirst wieder gehen?«
»Ja, wenn Kloob besiegt wurde oder du in deine Welt zurückkehrst«, schwor er. »Ich werde deinen Körper freigeben, so schnell es geht.«
»In Ordnung.«
Einen Moment lang herrschte Stille.
»Danke.«
Michaela erwachte mit einem Ruck. Ihr Körper fühlte sich ungewohnt schwer an. Tief in ihrem Innern glaubte sie, etwas Fremdes zu spüren. Dann war der Augenblick vorbei und alles schien beim Alten. Sie tastete ihre Taschen ab und hielt inne. Was tat sie denn da? Ihr Smartphone hatte sie tatsächlich vor Wochen weggeworfen. Sie sprang auf.
Juliane, Aran und Ku’guar saßen im Gras und blickten sie an. Michaela lächelte. Sie hatte ihre Schwester so lange nicht mehr gesehen. Es tat gut, dass sie hier war.
»Können wir endlich los?« Aran starrte sie finster an. Er hatte schon ewig nicht mehr so mürrisch gewirkt wie die letzten Wochen.
Michaela stockte, woher wollte sie das alles wissen?
Dummes Kind, sagte eine Stimme in ihrem Kopf. Hast du vergessen, dass ich da bin? Wir sind uns so nah, dass wir unsere Gedanken und Erinnerungen miteinander teilen müssen.
»Shit, hättest du mir das nicht sagen können?«, entfuhr es ihr.
Ranon lachte.
Die anderen starrten sie fragend an.
»Wir haben mehrmals versucht, dich zu wecken, aber du hast geschlafen wie ein Stein«, erklärte Juliane mit mildem Tadel. »Ich begann bereits, mir Sorgen zu machen.«
Michaela nickte. »Es tut mir leid. Aber wir haben wertvolle Zeit vergeudet, lasst uns aufbrechen. Ich kann unterwegs etwas essen.«
*
Am Firmament versank die Sonne glühend hinter den Blauen Bergen. In der Ferne leuchteten die Türme und Zinnen der Königsburg im verlöschenden Tageslicht.
Julianes Herz zog sich vor Sehnsucht nach den schützenden Mauern zusammen. Sie wandte ihre Aufmerksamkeit auf die Elfenwälder vor sich. Bis zum Einbruch der Nacht würden sie die Wälder erreichen können.
Sie musterte Michaelas Rücken. Eine Veränderung schien mit ihr vorgegangen zu sein. Sie hatte sich den ganzen Tag noch kein einziges Mal beschwert. Im Gegenteil, sie wirkte beinahe heiter und gelassen. Das waren Eigenschaften, die nicht zu ihrer überdrehten Schwester passten.
Michaela führte Ku’guars Pferd am Zügel mit sich, da er zurückgeblieben war, um sich zu verwandeln.
Der Ruf eines Käuzchens jagte Juliane einen kalten Schauder über den Rücken. Staubwolke schnaubte unruhig.
Aran lenkte sein Pferd dicht heran. »Sei wachsam«, raunte er.
Sie schluckte. »Was ist los?«
Sein Gesicht wirkte ernst, zeigte sonst jedoch keine Gefühlsregung. Er schüttelte den Kopf. »Horch.«
Sie lauschte. Es herrschte Totenstille. Weder das
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