Die Zauberschatten - Goryydon #2 (German Edition)
kann ich dich finden?«
Aran schüttelte den Kopf. »Nein, das darfst du nicht.«
Er krümmte sich vor Pein und stieß einen gequälten Laut aus.
Und dann war er verschwunden und mit ihm all die Leichen und das Blut.
Sie schrie und fuhr mit den Händen suchend über die Stelle, an der Aran eben noch gelegen hatte, als brächte ihn dies zurück, als wäre dies der Weg, ihn heraufzubeschwören.
»Wie hat dir dieses kleine Szenario gefallen?«, ertönte eine hämische Stimme hinter ihr.
Sie sprang auf und wirbelte herum.
Kloob lächelte. »Wie leicht du zu ängstigen bist, Kind.«
Er hatte sich nicht verändert. Matt wie Kohlestaub umrahmte das Haar sein schmales Gesicht. Auf seiner bleichen Haut stach die violette, längliche Narbe hervor, die sie ihm einst beigebracht hatte.
Juliane schluckte und wich zurück, als sich Kloob ihr näherte. Seine schwarze Robe strich mit heiserem Flüstern über den Boden.
Er lachte. »Hast du Angst, Auserwählte?«
»Vor dir?« Sie unterdrückte die Furcht in ihrem Innern und verharrte bewegungslos. »Ich habe dich getötet. Und ich werde das wieder und wieder tun, bis du endlich in der Hölle bleibst, wo du hingehörst«, zischte sie hasserfüllt.
Ein höhnisches Lächeln breitete sich auf seinem hageren Gesicht aus. »Dein Mord an mir hat mich mächtiger werden lassen, als du dir vorstellen kannst. Nichts endet mit dem Tod.« Er stieß ein Lachen aus und beugte sich vor. Seine Augen leuchteten triumphierend. »Der Tod ist erst der Anfang.«
»Ich habe dich schon einmal besiegt. Ich werde es ein zweites Mal schaffen.«
»Du überschätzt dich.« Kloobs Stimme klang verächtlich. »Du bist zu erbärmlich.« Er machte eine ausholende Geste und die Leichen und das Blut erschienen erneut.
»Das ist deine Schwäche. All deine Freunde.« Er spie den Satz aus. »Dein Mitgefühl, deine Liebe für die Menschen.«
Juliane fühlte Zorn aufflackern und näherte sich ihm einen Schritt. »Du irrst dich, Kloob. Nicht Schwäche, es ist meine Stärke.« Sie ballte ihre Fäuste und erwachte mit einem Ruck.
Schwindel und Übelkeit wallten in ihr hoch. Einen Moment blieb sie liegen, dann zwang sie das Unwohlsein, aufzustehen. Sie sprang auf und rannte hinter die Büsche. Dort erbrach sie sich würgend, bis sich der letzte Rest ihres Magens in Freiheit begeben hatte. Kalter Schweiß kroch in ihr empor. Ihre Augen brannten und Tränen nässten ihre Wangen.
Juliane sank auf die Knie, atmete schwer und wischte sich über den Mund. Schon wieder! Sie schloss die Augen. Was war das bloß? Ihr Magen zuckte ein paar Mal, dann schwand die Unpässlichkeit vollständig. Sie ging in die Hocke und starrte erschrocken auf das Buschwerk. Sie nahm ihre Finger zu Hilfe, um nachzuzählen.
Konnte es sein, dass …? Ihr stockte der Atem. Nein, unmöglich.
Sie zählte nach. Ihre Regelblutung war zwei Wochen überfällig. Ihre Periode hatte sich noch nie verspätet.
»Verdammt!« Juliane rechnete erneut. Nein, es stimmte.
Sie tastete ihre Brüste ab. Sie fühlten sich schwerer an und die Haut spannte. Ihre Gedanken schienen wie gelähmt. Sie zwang sich, ihre Hände an Ort und Stelle zu belassen und nicht ihrem Instinkt folgend, den schützenden Griff an ihren Bauch zu wagen. Ein Baby von Aran. Einen kurzen Moment durchzuckte sie freudiger Schreck. Ein Teil von ihm war immer noch bei ihr. Dann meldete sich ihr Verstand. Gefahr und Tod lauerten außerhalb dieses Gebüschs.
Michaelas Ruf schreckte sie auf.
»Ich musste nur austreten. Ich komme gleich.« Juliane richtete sich auf. Besser, sie behielt ihr Geheimnis für sich. Sie schluckte, blinzelte und trat mit einem Lächeln aus dem Buschwerk.
*
Shaara zog den zoum , seinen Reiseumhang, enger um die Schultern. Er war müde und ihn fröstelte. Über den Purpursee strich eine sanfte Brise und streifte ihn.
Er lehnte sich erschöpft an einen Baumstamm und schloss die Augen. Mehr als einen Mond währte seine Reise bereits. Obwohl die Anstrengungen der Überfahrt und der Wanderung ihn entkräftet hatten, wusste er doch, dass dies erst der Anfang seiner Irrfahrten war. Die Vision einer silberhaarigen talmi’na hatte ihn aufgefordert, in das weit im Norden gelegene Goryydon zu reisen. Dort träfe er sich mit den Gesandten der talmi’na am purpurnen See. Er fluchte ungehalten.
Alles nur wegen Goard.
Einst hatte Ritanou, Shaaras Großvater den Tireller Goard und ihn als Schüler aufgenommen. Doch dann war Goard in die Stadt Gylah gegangen und
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