Die Zauberschatten - Goryydon #2 (German Edition)
und Kräuter.« Sie drückte ihr einen viereckigen Stofffetzen in die Hand. »Ich brauche ein nasses Tuch.«
Michaela trottete zu den Pferden und befeuchtete den Lumpen mit Wasser aus dem Schlauch.
Juliane nahm den Stoff entgegen und wusch die Kopfwunde des Verletzten aus. Dann tastete sie den Schädel ab. Der Mann stöhnte.
»Nichts gebrochen«, erklärte sie erleichtert.
Michaela steckte ihre Hand in den Beutel und zog eine Handvoll Ackerschachtelhalm heraus.
Dass Juliane nicht der Mund offen stehen blieb, war alles. »Seit wann kennst du dich mit Kräutern aus?«
»Kräuter?« Michaela gelang es, ihren Ärger zu verbergen und Ahnungslosigkeit vorzutäuschen. »Dieses Zeug hier? Das aussieht wie Gras?« Sie machte Anstalten die Heilpflanzen in das Säckchen zurückzustopfen.
Juliane nahm ihr die Pflanzen ab. »Warte, das brauche ich.« Sie legte es auf die Verletzung und wickelte eine saubere Binde um den Kopf des Mannes.
»Dem hat man ordentlich eins übergebraten, was?«, meinte Michaela schaudernd. Sie schluckte trocken.
»Ich sammle Holz für ein Lagerfeuer.« Ku’guar wandte sich ab und ließ sie allein.
»Meinst du, er ist der, den wir treffen sollten?«
Juliane zuckte mit den Schultern. »Vielleicht. Wenn er zu sich kommt, können wir ihn fragen.«
»Und wenn er es ist und stirbt?«
Der Bewusstlose stöhnte, als Juliane den Verband zu fest anzog. Nervös lockerte sie die Binde. Dunkle Blutflecken hatten sein ledernes Hemd besudelt. Er trug eng anliegende Hosen, die an den Seiten geschnürt waren und knöchelhohe Schuhe, die schlammverschmiert waren.
»Das wird nicht passieren.« Sie begann, sein Gesicht zu reinigen.
Er besaß markante Gesichtszüge und hohe Wangenknochen wie Aran, aber dunklere Haut und einen breiteren und muskulöseren Körperbau.
Ku’guar kehrte mit dem Feuerholz zurück. Er warf es auf den Boden.
Juliane, die in die Behandlung des Fremden vertieft war, schrak bei dem Geräusch sichtlich zusammen. Der Verletzte bewegte sich röchelnd.
»Ich habe dort drüben die Reste eines Lagerplatzes entdeckt.« Ku’guar deutete mit dem Kopf auf eine entferntere Stelle am Ufer. »Er wurde dort niedergeschlagen und dann hierher gebracht.«
»Wieso sollte sich jemand diese Mühe machen?«, fragte Michaela stirnrunzelnd.
»Hielten die Angreifer ihn für tot, wollten sie die Leiche wahrscheinlich nicht in ihrer unmittelbaren Nähe haben«, vermutete Ku’guar achselzuckend.
*
Der Rabe zwang Shaara in die Tiefe und warf ihn zurück in seinen Körper. Der Aufprall erwies sich als schmerzhaft und er benötigte einen Moment der Orientierung, ehe sein Bewusstsein langsam in den Wachzustand hinüberglitt.
Ein Lagerfeuer prasselte fröhlich vor sich hin und warf goldene Lichter auf eine eindrucksvolle, junge Frau. Sie trug Männerkleidung und redete auf einen großen Puma ein. Zwischen ihnen schlief eine schwarzhaarige Gestalt auf dem Boden.
Shaara stöhnte und probierte, sich aufzurichten. Sofort stand die Frau bei ihm.
Sie hockte sich neben ihm nieder. »Ruhig, du bist verletzt«, flüsterte sie in der Hochsprache. Ihr Dialekt erwies sich als melodischer, als der der anderen Goryydoner, denen er bisher begegnet war. Sie drückte ihn sanft auf die Erde zurück. Die Unbekannte umgab eine leuchtende Aura. Er blinzelte. Sie musste da’Ischaá , die Auserwählte, sein.
»Ich muss meinen Clanbruder befreien«, erklärte er und versuchte, sich hochzustemmen. Schmerz, Schwäche und die junge Frau verhinderten dies.
»Ihr wart zu zweit?« Die Frau strich ihm mit kühlen Fingern das lange Haar aus dem Gesicht.
»Ich habe Männer, Weiße, getroffen, die einen Morgonen wie mich in ihrer Gewalt hatten«, erzählte Shaara. Seine Stimme klang fremd in seinen Ohren. Brüchig und matt wie die eines alten Mannes.
Trotz seiner Pein bemerkte er, wie sie erstarrte, ehe Aufregung durch ihren Köper pulste. »Wie sah er aus? Hast du mit ihm geredet?«, wollte sie atemlos wissen.
Shaara musste sich zwingen, wach zu bleiben, die Schwäche überrollte ihn mit Wucht. »Eine Narbe, er hatte eine Narbe am Hals.«
Die Frau wandte sich an die Raubkatze. »Ku’guar, Aran muss in der Nähe sein.« Sie klang, als würde sie jeden Moment in Tränen ausbrechen.
Shaara verlor den Kampf gegen die Ohnmacht und sank zurück in das schwarze Vergessen.
*
Juliane musste sich beherrschen, um nicht sofort auf ihr Pferd zu springen und Aran zu suchen. Die Unruhe ließ Übelkeit in ihr aufsteigen. Sie
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