Die Zauberschatten - Goryydon #2 (German Edition)
verbrannten.
Sie schluckte und trat näher. »Ist das Wasser frisch?«
Juliane blickte auf. »Ja.« Sie beugte sich über Aran.
Die Zärtlichkeit, mit der sie über seine Stirn strich, versetzte Michaela einen sehnsüchtigen Stich. Sie riss sich von dem Anblick los und konzentrierte sich auf ihr Vorhaben. Sie zupfte den Wasserdost auseinander und warf ihn in das Wasser, ehe sie ein paar Fingerspitzen voll Schafgarbe dazugab.
»Was machst du da?«, fragte Ku’guar.
»Einen Tee für Aran.« Als sie glaubte, der Tee habe genug gezogen, goss sie die Flüssigkeit so gut wie möglich in eine Schale ab und brachte diese Juliane. »Hier, gib ihm das zu trinken.«
Juliane starrte sie ungläubig an. »Du wirst mir langsam unheimlich. Welche Kräuter hast du in das Wasser gegeben?«
»Wasserdost und Schafgarbe.« Sie machte eine abwehrende Handbewegung. »Und bevor du Angst kriegst, ich könnte Aran vergiften, ich habe eine Dokumentation im Fernsehen über Wasserdost gesehen. Da wurde erwähnt, die Afrikaner hätten Fieber damit geheilt. Und wie mir scheint, hat Aran Fieber.« Sie war stolz, ihrer Schwester eine solch dicke Lüge auftischen zu können.
Über deren Miene glitt Misstrauen. »Die Afrikaner, ja?«
Michaela lachte gekünstelt. »Sagte ich Afrikaner? Ich meinte Indianer.« Verdammt, warum musste sich Juliane auch mit dem Kram besser auskennen als sie?
Juliane musterte Michaela forschend. Diese zwang sich zu einer ausdruckslosen Miene.
Juliane nippte an der Schale und stellte sie neben sich. »Zu warm.«
Enttäuschung brandete in ihr auf. »Du glaubst, ich würde ihn vergiften.« Sie drehte sich um und rannte davon.
*
Ku’guar blickte zu Juliane. »Soll ich ihr folgen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Lass Michaela eine Weile allein. Sie beruhigt sich wieder.«
»Glaubst du etwa, dass sie Aran vergiften will?«
Der Gedanke entsetzte Juliane so sehr, dass sie ihn nicht zu Ende denken wollte. »Niemals!« Sie kaute auf ihrer Unterlippe. »Wenigstens nicht absichtlich. Ich kenne sie gut genug, um zu wissen, dass sie sich noch nie für Kräuter und Ähnliches interessiert hat.« Sie zögerte einen Moment. »Etwas stimmt nicht mit ihr.«
Ku’guar nickte. »Seit wir die Burg verlassen haben, benimmt sie sich seltsam. Sie führt Selbstgespräche.«
Juliane runzelte die Stirn. »Wir sollten ein Auge auf sie haben und uns mehr um sie kümmern.«
Aran lenkte ihre Aufmerksamkeit auf sich.
»Ti ma nae nejche, Juliane! Ti ma tel, fuoch kalv ma eyes. Ti ma no paels dna ate, ti ma thiw mei howle olus, Juliane”, flüsterte er.
Sie strich über sein Haar. Sie kannte die ungefähre Bedeutung dieser Sätze. Ich liebe dich, Juliane. Du bist mein Augenstern. Ohne dich bin ich nichts. Du bist meine Seele.
Aran schlug im Fieberwahn um sich. »Juliane, wo bist du? Lass mich nicht allein! Juliane«, rief er verzweifelt.
Sie hielt ihn fest. »Pst, Aran, ich bin da. Ich bin bei dir.«
Er beruhigte sich.
Sie benetzte sein heißes Gesicht mit kühlem Wasser, hob dann seinen Kopf und flößte ihm Michaelas Tee ein.
Mitten in der Nacht wurde Juliane von einem gellenden Schrei geweckt.
Aran, der neben ihr geschlafen hatte, fantasierte.
Obwohl sein Gesicht schweißüberströmt war, zitterte er.
Sie ergriff seine eiskalte Hand.
Er befreite sich aus ihrem Griff und starrte mit weit aufgerissenen Augen auf einen Punkt vor sich. »Nein!« Seine Stimme klang rau, Juliane fühlte seine Qual in ihrer Seele. Sein Schmerz drohte sie zu überwältigen. Die Panik schnappte nach ihr wie das riesige Maul eines Monsters. Seine Zähne bohrten sich in ihr Herz. Langsam, unendlich genüsslich zerfleischten die rasierscharfen Klauen ihre Seele, bis nichts mehr übrig schien außer Angst und Schmerz und Hass und Einsamkeit und Wut. Zorn breitete sich in ihrer, seiner Seele aus, rasend, brennend und der einzige Grund, aus dem sich der kindliche Aran ans Leben klammerte. Sie wusste, was er in diesem Moment durchlitt. Was ihn der Fieberwahn zu sehen zwang. Den Mord an seiner Familie.
»Mutter! Rührt sie nicht an, ihr Schweine!«
Die Hilflosigkeit in seinen Worten zerriss ihr schier das Herz. Aran schlug um sich und Juliane, die nicht rechtzeitig in Deckung ging, traf seine Faust mitten im Gesicht. Sie stöhnte. »Aran, du träumst. Das alles ist lange vorbei.« Sie hielt seine Arme fest, doch er verfügte in seinem Delirium über Bärenkräfte.
Sie warf sich über ihn. Er bäumte sich auf und stieß ihren Körper fast von
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