Die Zauberschatten - Goryydon #2 (German Edition)
darauf.
»Was für ein Gefühl ist es, versagt zu haben?«
Sie hob ihren Kopf.
Kloob hatte bewegungslos in einer Ecke gestanden. Noch immer wirkte er auf Juliane attraktiv, doch diesmal wusste sie, wer und was er war. Sie vermied es, in seine Augen zu blicken.
Sie entschied, dass es am besten wäre, ihn zu provozieren. »Versagt? Ich habe dich doch getötet, oder nicht?«
»Und nun bin ich mächtiger als je zuvor.«
»Du willst dich doch nicht etwa bedanken?« Ihr Pulsschlag brachte ihre Stimmbänder zum Schwingen und sie hoffte, Kloob merkte nichts von ihrer Furcht.
»Ich habe dir geschworen, dass ich euch vernichten werde.« Kloob schlenderte auf Juliane zu und sie zwang sich, nicht zurückzuweichen.
»Hast du etwa Angst, Auserwählte?« Er lachte, während Juliane versuchte eine reglose Miene zu machen, obwohl sie vor Angst schlottern wollte.
Sie wusste nicht, woher sie die Kraft nahm, doch es gelang ihr, sich nichts von ihren Gefühlen anmerken zu lassen. »Ich habe und hatte nie Angst vor einem größenwahnsinnigen Tyrannen.« Sie kreuzte ihre Arme vor der Brust.
Ihre Antwort ließ ihn erneut auflachen. »Du warst bei unserer ersten Begegnung beinahe starr vor Panik und dieses Mal ist es auch nicht anders.« Er fixierte ihre Arme vielsagend.
Juliane verschränkte ihre Hände auf dem Rücken, um sich nicht durch ein Zittern zu verraten. »Was willst du von mir?«
»Oh, ich wollte dich noch einmal sehen, bevor ich dich und deine Freunde vernichte. Soll ich dir erzählen, wie ihr sterben werdet? Michaela werde ich mir als Erste vornehmen. Ich glaube nicht, dass sie lange durchhält.« Er zuckte mit den Schultern und Juliane machte den Fehler in seine Augen zu blicken. Es waren schwarze Löcher, erfüllt vom Bösen, das jeden Winkel seiner Seele erobert hatte. Sie schloss einen Moment die Augen.
»Ich benutze deine Schwester zum Aufwärmen«, fuhr Kloob ungerührt fort. »Als Nächstes kommen all deine anderen, nutzlosen Freunde dran.« Seine Miene erhellte sich. »Aran wird der Letzte sein. Ihn zu Tode zu foltern wird ein Genuss sein. Ich bin sicher, dass er sich lange an diese Lächerlichkeit, die man Leben nennt, klammert. Vielleicht lasse ich dich nach seinem Tod am Leben, vielleicht auch nicht.«
Eiseskälte ergriff Juliane bei seinen Worten, überzeugt, dass die Realität um vieles grausamer wäre, als seine Schilderungen.
»Ich habe keine Lust auf dein Geschwätz. Ich weiß genau, dass ich das träume.« Sie verschränkte ihre Arme wieder vor der Brust.
»Und du meinst, dass ich dir deshalb nichts antun kann?« Er schnellte auf sie zu und packte sie brutal an den Schultern.
Juliane blieb vor Schreck die Luft weg. Unfähig, sich zu bewegen, musste sie zulassen, dass Kloob sie ans Fenster zerrte. Sie keuchte auf, doch der Albtraum tat seine Wirkung. Sie konnte sich nicht wehren. Er nutzte ihre Erstarrung aus und stieß sie durch die Fensteröffnung.
Sie schrie, als sie ins Bodenlose fiel. Der Wind brauste um ihre Ohren und sie stürzte immer schneller der Erde entgegen.
*
Aran hatte keinen Schlaf gefunden und den Rest der Nacht neben Juliane im Bett verbracht, an die Decke gestarrt und Julianes Atem gelauscht, während er sie in den Armen hielt.
Vor einer Weile hatte sie begonnen, sich unruhig herumzuwerfen, bewegte ihre Lippen, als spräche sie mit jemandem, um dann schreiend hochzufahren.
Sie blickte sich verwirrt um, als könne sie nicht glauben, sich im Bett wiederzufinden. Ihre Stirn glänzte schweißnass und einige Strähnen klebten feucht an ihrer Haut. Sie wirkte panisch und er musterte sie besorgt. Seine eigene Unruhe zwang ihn, sich über sie zu beugen und sie sacht zu küssen. Seine Lippen durchzuckte ein intensives Kribbeln und er löste sich von ihr. Sie blinzelte schlaftrunken.
»Ich habe schlecht geträumt.« Sie lächelte schwach. Dann sprang sie aus dem Bett und verschwand auf den Balkon.
Aran schlug die Bettdecke zurück und erstarrte. Seine Füße und das Laken waren mit Erde und Tannennadeln beschmutzt. Er wischte seine Füße am Betttuch ab und breitete die Decke über die Flecken, ehe er aufstand. Er schlüpfte in seine Hosen und folgte Juliane auf den Balkon.
Die größte aller Schwächen ist,
zu fürchten, schwach zu erscheinen.
Jacques Bénigne Bossuet
Kapitel 15
Gefahr
M ichaela klopfte an Ku’guars Tür, erst vorsichtig, dann energischer. Sie hatte ihn die letzten Tage kaum gesehen und wenn, dann meist nur, wenn er die
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