Die Zauberschatten - Goryydon #2 (German Edition)
Bauernhauses öffnete sich und seine Mutter, eine zierliche Morvannin kam heraus. Die schönste Frau, die er je gesehen hatte. Sie lächelte seinem Vater zu. Hinter ihren Röcken flitzte ein Mädchen hervor und stürzte sich in die Umarmung des Vaters. Die drei lachten.
Bis zu diesem Moment hatte er nicht geahnt, wie sehr er sie immer noch vermisste. Er wollte, dass sie wieder Teil seines Lebens waren. Er hob die Hand erneut seiner Familie entgegen und im selben Moment verschwand das Bild. Stattdessen stand Kloob da. Aran wich misstrauisch zurück.
»Ich könnte deine Familie wieder zum Leben erwecken«, versprach Kloob mit erwartungsvoll glitzernden Augen.
»Und was erwartest du dafür von mir?« In Arans Worten schwang eine Unsicherheit, die in ihm Verachtung hervorrief. Es erwies sich als so leicht, seinen wunden Punkt ausfindig zu machen.
Kloob umrundete ihn langsam.
Er folgte den Bewegungen des Schwarzmagiers mit Blicken.
»Eine Kleinigkeit, wirklich eine Nebensächlichkeit«, entgegnete Kloob im Plauderton. In seiner Hand erschien ein Dolch. Er glitt mit einer zärtlichen Geste über die Klinge. Dann reichte er den Dolch mit dem Griff voran Aran. »Du tötest Juliane.«
Kloobs Ansinnen stellte keine Überraschung dar. Natürlich plante Kloob ihren Tod. Das wahre Perfide an diesem Vorhaben sollte Arans Rolle dabei spielen.
Er zögerte keinen Moment, verspürte keinen Zweifel über seine Wahl. Es gab keine andere Möglichkeit. Aran warf einen Blick auf den Dolch und wich zurück, ohne den Zauberer aus den Augen zu lassen. Rückwärts entfernte er sich von dem Magier, dessen Miene überheblich und zugleich siegesgewiss wirkte. Kloob glaubte an seine Autorität und Aran musste zugeben, Kloobs Kräfte waren groß. Ihr Sieg schien mehr als je zuvor zweifelhaft. Doch eine drohende Niederlage hatte ihn noch nie von einem Kampf abgehalten.
Am Rand der Lichtung drehte er sich um. Sein Nacken kribbelte. Weiter und weiter entfernte er sich von Kloob, ohne dass etwas geschah. Endlich erreichte er sein Pferd, schwang sich auf dessen Rücken und galoppierte in die Burg zurück.
Genauso unbemerkt, wie er sie verlassen hatte, betrat er die Veste, um wenig später sein Schlafgemach zu erreichen.
Erleichtert schlüpfte er unter die Bettdecke zu Juliane. Sie hatte sein Verschwinden nicht bemerkt. Er zog sie an sich und sie kuschelte sich mit glücklichem Lächeln an ihn. Nicht ahnend, dass ihr schlimmster Feind näher sein könnte, als sie vermutete. Er musterte sie und spürte Zärtlichkeit in sich aufsteigen. Der Wunsch, sie zu beschützen wurde übermächtig. Er sah, wie sich ihre Miene ängstlich verzog. Offenbar träumte sie schlecht. Er streichelte über ihr Haar, ihre Wange. Juliane zitterte und er zog sie enger an sich, hoffte so, sie vor bösen Träumen zu schützen.
*
Juliane stand vor dem Eingang zu Kloobs Turm. Sie blickte die hohen Mauern empor. Sah die moosigen Ritzen, die grauen Steine, die das Gebäude bildeten, und wollte fort. Jeder Quadratzentimeter des Gemäuers schien Kloobs Persönlichkeit aufgesogen zu haben.
Ein Kribbeln wanderte ihre Zehenspitzen hinauf zu den Waden. Sie wollte nicht hinein und doch verspürte sie den fast schmerzhaften Zwang, den Turm zu betreten.
Wie von Geisterhand öffnete sich die Eingangstür.
»Komm herauf«, rief eine angenehm modulierte Stimme, die Juliane den Angstschweiß auf die Stirn trieb. »Oder hast du Angst?«, fügte der Mann höhnisch hinzu.
Die dunkelgrauen Steinstufen glänzten wie frisch poliert. Langsam stieg sie nach oben. Die Fackeln an den Wänden erhellten das Treppenhaus. Schwefelgestank kitzelte ihre Nase.
Wie passend. Ängstliche Neugierde forderte sie heraus. Ihre Schritte hallten dumpf von den Mauern wider. Sie stützte ihre Hände immer wieder am Mauerwerk ab, spürte rauen Stein, weiches Moos oder glitschige Nässe unter den Fingern.
Die Tür zu Kloobs Raum war angelehnt, durch den Spalt fiel goldenes Kerzenlicht. Julianes Magen wollte endgültig revoltieren. Einen Moment lang wünschte sie sich, weniger neugierig, weniger mutig und weniger pflichtbewusst zu sein. Dann rang sie ihre Zweifel nieder und stieß die Tür auf. Sie blieb im Türrahmen stehen. Bienenwachsduft drang schmeichelnd an ihre Nase und angenehme Wärme schlug ihr entgegen.
Unzählige Kerzen und Fackeln beleuchteten den Raum. In der Mitte stand immer noch der schwarze Altar. Diesmal befanden sich nur Kerzen, aber kein Dolch und auch keine Räucherschale
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