Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)
Himmel verkracht? Was zum Teufel ist los mit dir? Sag ihm einfach die Wahrheit! Wenn er nicht hinter dir steht, ist er es ohnehin nicht wert.«
Nein, meine Großmutter kann mir jetzt nicht helfen. Aber außer mir kenne ich niemanden in meinem Alter, der gestorben ist.
Ich erspähe Peaches und ihr Gefolge draußen im Garten.
»Peaches!«, rufe ich.
Sie bleibt wie angewurzelt stehen und guckt zu mir hoch.
»Komm und tröste mich.«
Sie rast weiter.
»He, warte! Ich habe jede Menge Leckerbissen für dich und deine Freunde! Wir könnten eine Party geben!«
Vergebens.
Dämliche Töle.
Da fällt mir ein Mädchen ein, das auch sehr jung gestorben ist: Alice Oppenheim, eine enge Jugendfreundin meiner Mutter, die zwei Häuserblocks von ihr entfernt gewohnt hatte. Vielleicht ist sie ja eine gute Zuhörerin.
Alice starb, als sie beide sechzehn waren. Eine selten traurige Geschichte, deshalb erinnere ich mich auch so gut daran.
Es geschah unmittelbar nach ihrem sechzehnten Geburtstag. Alice hatte eine Sweet-16-Party veranstaltet, mit allen Schikanen. Meine Mom war mit Alice und ihrer Mom losgezogen, um ihr ein rosa Rüschenkleid zu besorgen. Grauenhafte Vorstellung, ich weiß, aber es sah laut Mom nicht so schlimm aus, wie es klingt. Die Party fand im Festsaal eines Lokals namens The Tavern statt, und meine Mutter ging in Begleitung von Sy Silverman hin, der übrigens später ziemlich gut mit meinen Eltern befreundet war. Jedenfalls wachte meine Mutter in der Nacht nach der Party auf, weil draußen ein Feuerwehrauto nach dem anderen vorbeiraste. Wie sich herausstellte, war im Haus der Familie Oppenheim durch einen Kurzschluss ein Brand ausgebrochen. Mr. und Mrs. Oppenheim trugen nur leichte Verletzungen davon, ihr Sohn Butch dagegen erlitt schwere Brandwunden am Bein und an der Brust und musste lange ins Krankenhaus. Wenigstens hat er sich überhaupt wieder erholt. Meine Mutter und ich sind ihm einmal im South Street Deli begegnet. Ich hatte so oft von den Oppenheims gehört, dass ich das Gefühl hatte, einen Darsteller aus einem meiner Lieblingsfilme kennen zu lernen, wenn Sie wissen, was ich meine. Als er meine Mutter sah, fing er nicht etwa an zu weinen oder so, er sagte nur ganz leise: »Inzwischen wäre sie bestimmt verheiratet. Womöglich hätte sie eine Tochter bekommen wie du.«
Ist das nicht furchtbar traurig?
Meine Mom legte ihm den Arm um die Schulter. Ich war damals etwa elf oder zwölf und tat ahnungslos, dabei wusste ich sehr wohl Bescheid.
Jedenfalls ist Alice in dem Feuer umgekommen. Für meine Mom war das die allererste Beerdigung ihres Lebens. Davor war noch nie jemand gestorben, den sie gekannt hatte. Sie hat immer wieder mal von Alice erzählt und von einer absolut lächerlichen Fehde wegen irgendwelcher Petticoats, die meine Mom Alice angeblich geklaut hatte.
Hm. Ich glaube, meine Mutter fände es schön, wenn ich diese Alice mal anrufe.
Ich gehe in die Küche, nehme den Telefonhörer ab und wähle vier-eins-eins.
»Himmlische Vermittlung, welche Ebene?«
Welche Ebene? Mann, dieses Thema verfolgt mich ja echt auf Schritt und Tritt.
»Äh, hallo, siebte Ebene, nehme ich an. Haben Sie eine Alice Oppenheim?«
Ich höre eine Tastatur klappern.
»Nicht nur eine, sondern gleich drei – die erste starb 1482, die zweite 1823, und die dritte 1953.«
»Die ist es.«
»Einen Moment, ich verbinde.«
Das ist richtig spannend!
»Hallo?«
»Äh, hi, ist dort Alice Oppenheim aus Philadelphia?«
»Ganz recht.«
»Tag, Alice … Äh, du kennst mich nicht, ich bin Alex, die Tochter deiner Freundin Maxine Firestein.«
»Hör auf! Im Ernst? Maxine hatte eine Tochter? Das ist ja großartig. Wie geht es deiner Mom?«
»Och, ganz gut. Sie hat geheiratet und mich zur Welt gebracht … Im Moment ist sie vermutlich etwas mitgenommen, ich bin nämlich neulich gestorben. Aber abgesehen davon geht es ihr bestens.«
»Sie hat geheiratet?«, ruft Alice, als wäre das total abwegig. »Wen denn?«
»Bill Dorenfield.«
»Was, diesen Schürzenjäger?« Sie lacht. »An den erinnere ich mich noch gut! Was für ein Casanova. Er war mit meinem Bruder Butch befreundet. Nicht besonders eng. Dein Vater wirkte immer irgendwie tough, so zielstrebig und unnahbar. Natürlich hat er deine Mutter geheiratet. Sie ist genau sein Typ. Eine wunderschöne Frau. Ist sie noch immer so wunderschön?«
»Oh, ja«, sage ich. Mich beschäftigt noch die Aussage über meinen Dad. Ob ich ihn wohl jemals locker und entspannt erleben
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