Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)
werde?
»In der Schule war deine Mom immer die Hübscheste von uns.«
»Ist sie immer noch.«
»Hat sie dir erzählt, dass sie mir mal alle meine Petticoats gestohlen hat?«
»Hat sie, ja.«
»Sie hat bestimmt behauptet, sie hätte mir einen übrig gelassen. Das war immer ihre Ausrede.«
»Tja, ich muss mir wohl mal deine Seite der Geschichte anhören.«
»Ein andermal. Lass mich überlegen, ich wäre jetzt ungefähr sechzig oder einundsechzig … Wow, sie ist alt geworden.«
»Ja, aber sie sieht jünger aus.«
»Davon habe ich gehört. Die Siebzigjährigen sehen aus wie fünfzig, die Fünfzigjährigen wie dreißig, und so weiter. Ich habe mich um vierzehn Jahre altern lassen, weil ich nicht ewig sechzehn bleiben wollte, und ich bereue es nicht, aber älter möchte ich eigentlich nicht mehr werden.«
»Ich bin neunundzwanzig!«
»Ist nicht wahr! Wie bist du gestorben?«
»Ein Auto hat mich umgemäht.«
»Wie furchtbar. Das tut mir leid zu hören, auch für deine Mom.«
»Tja …« Ich beschließe, endlich zum Thema zu kommen. »Hör mal, ich kenne hier eigentlich niemanden bis auf meine Großeltern und meinen Onkel, und meine Mom hat so oft von dir erzählt, und dass ihr so eng befreundet wart, und da dachte ich, wir könnten uns doch mal zum Lunch treffen, wenn du Lust hast.«
»Liebend gern! Was hältst du von morgen?«
»Morgen klingt super.«
»Großartig. Es gibt da ein tolles französisches Restaurant in der Stadt. Setz dich einfach in deinen Wagen und sag ›französisches Restaurant‹, dann fährt er dich hin.«
»Mache ich. Müssen wir einen Tisch reservieren?«
»Wir sind im siebten Himmel, da muss man keine Tische reservieren.«
»Ach, ja, richtig«, stottere ich.
»Oder bist du etwa gar nicht im siebten?« Sie scheint zu ahnen, dass das ein wunder Punkt ist.
»Äh, bis jetzt schon, aber …«
»Ach, du hängst wohl noch in der Warteschleife. Keine Panik, darüber reden wir morgen.«
»Keine Panik? Im Ernst? Ich mache mir nämlich echt Sorgen.«
»Nicht nötig, glaub mir. Ich lasse dich schon nicht hängen. Deine Mutter war schließlich eine meiner besten Freundinnen. Ich muss los, mein Tennislehrer wartet, aber wir sehen uns morgen, so gegen eins vielleicht? Ich freue mich schon darauf, dich kennenzulernen und mit dir zu plaudern.«
»Eins passt mir wunderbar. Ich freue mich auch.«
»Und wie gesagt, Alex …«
»Ja?«
»Mach dir keine Sorgen. Ich werde dir helfen.«
»Okay.«
»Tschüsschen! Bis morgen!«
Tschüsschen? Na, egal. Mir ist schon etwas leichter ums Herz. Viel leichter, um ehrlich zu sein.
Ich höre die Hundetür klappern. Peaches kommt angetrabt und sieht mich mit hängenden Ohren an, als hätte sie ein schlechtes Gewissen.
»Sieh mal an, wer kommt denn da?«, begrüße ich sie. »Ich bin überglücklich, dass du ein paar Minuten deiner kostbaren Zeit für mich erübrigen kannst.«
Sie hüpft mir auf den Schoß und leckt mir das Gesicht.
Ich kraule sie. »Mir tut es auch leid.«
Dann schnappe ich mir eine Schachtel Eclairs und mache es mir mit meinem Hund im Wohnzimmer vor der Glotze gemütlich. Auf meinem Lieblingssender (»Meine liebsten Fernsehserien«) läuft zufällig meine Lieblingsfolge (was sonst) von I Love Lucy , in der Lucy ihrem Ricky zu eröffnen versucht, dass ein kleiner Ricky unterwegs ist. Dann sehe ich mir meine liebste Folge von Oh Mary an, in der Rhonda Henry Winkler zu einer Dinnerparty mitbringt und die Gastgeberin Mary Tyler Moore weder genügend Platz noch genügend Essen für ihn hat, sodass Henry allein an einem Tisch am Fenster sitzen muss, während alle anderen an der festlich gedeckten Tafel thronen. Zum Schreien. Mitten in meiner liebsten Folge von Drei Mädchen und drei Jungen (die Episode mit Davy Jones, großartig!) merke ich, wie mir die Lider schwer werden, und im Laufe meiner liebsten Folge von Taxi (in der die gesamte Crew der Sunshine Cab Company versucht, Jim zum Führerschein zu verhelfen) schlummere ich ein. Als ich Stunden später erwache, ist es bereits mitten in der Nacht. Peaches, die noch immer neben mir liegt, riskiert ein Auge.
»Danke, dass du für mich da bist, Kumpel«, murmle ich.
Sie bettet den Kopf auf meinen Bauch, und wir schlafen wieder ein.
Gut möglich, dass man auf der Erde mit einer einzigen Freundin auskommt, aber hier im Himmel brauche ich alle Freunde, die ich kriegen kann.
DREI
Unten auf der Erde trug ich neben meinem richtigen Namen noch fünf weitere stolze Namen. Man nannte
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