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Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)

Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)

Titel: Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adena Halpern
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mich in den Kampf gegen das Böse und ging dabei mit solcher Brutalität vor, dass ich mich gar nicht aus dem Müllbeutel traute, weil ich fürchtete, ich käme als Nächste an die Reihe.
    Sie drosch gnadenlos auf jedes Kind ein, das es wagte, sich ihr in den Weg zu stellen oder sich zu wehren. Dana Stanbury und Greg Rice holten sich blutige Nasen, Tom Rosso ein riesiges Veilchen, und Olivia Wilson heulte, weil ihr Pen ganze Haarbüschel ausgerissen hatte. Ich konnte vor Verblüffung keinen Finger rühren.
    »Na, alles klar?«, erkundigte sich meine hünenhafte Heldin und reichte mir die Hand.
    »Alles klar«, sagte ich und ließ mir von ihr aus dem Müllbeutel helfen.
    Von Olivia Wilsons Gewimmer einmal abgesehen, herrschte in der Schulkantine gespenstische Stille.
    Da kam Mrs. Hoffman herein. »WAS IST DENN HIER LOS?«, schrie sie angesichts des Blutbades, das Penelope angerichtet hatte.
    Schweigen.
    Am Ende der Mittagspause baute sich Mrs. Macknicki vor der Tür zum Korridor auf und erklärte: »Keiner verlässt den Raum, ehe ich weiß, was sich hier zugetragen hat.«
    Schweigen.
    Sie wandte sich an mich. »Alexandra? Du petzt doch sonst auch immer. Was ging hier vor sich?«
    »Ich … Ich war … mit meinem Mittagessen beschäftigt. Ich habe nichts gesehen.«
    »Wieso riechst du dann nach Abfall? Und warum hast du Nudelsalat im Haar?«, löcherte sie mich.
    »Ich … Meine Mutter hat mir ein Leberwurst-Sandwich mitgegeben. Sie wissen doch, wie das stinkt.«
    Daraufhin versuchte Mrs. Macknicki ihr Glück bei Penelope. »Du wirkst als Einzige hier unversehrt. Willst du mir vielleicht verraten, was hier geschehen ist?«
    »Ich bin neu«, entgegnete Pen selbstbewusst. »Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ich mich gleich am allerersten Tag bei meinen neuen Mitschülern unbeliebt machen will, indem ich sie verpetze? Ich berufe mich auf Zusatzartikel fünf der Verfassung, und das ist mein gutes Recht als amerikanische Staatsbürgerin.«
    Oh, ja, Pen war ein cleveres Kind. Sie konnte die Tatsache, dass ihr Vater Anwalt war, nicht verleugnen. Bei ihr zu Hause berief man sich ständig auf besagten Zusatzartikel fünf der Verfassung, in dem, wie sie mir später erklärte, das Recht auf Verweigerung der Aussage verankert ist.
    Jedes andere Kind hätte mit einer solchen Aktion garantiert eine saftige Strafpredigt, Schulverweisdrohungen und mindestens drei Monate Nachsitzen vor und nach dem Unterricht eingeheimst. Doch Penelopes Art der Argumentation ließ keinen Spielraum für Diskussionen. Es war in der Tat undenkbar, sich gleich am ersten Tag als Schlägertype zu outen, die die gesamte vierte Klasse windelweich geprügelt hatte. Tja, Pen hatte eben Eier … äh, ich meine, Eierstöcke aus Stahl. Die hat sie immer noch.
    Mrs. Macknicki ließ Gnade vor Recht ergehen und begann, das nächste Kind zu verhören.
    An diesem Tag habe ich mich zu Hause zum ersten Mal nicht beklagt, obwohl meine Eltern immer wieder wissen wollten, weshalb ich selbst nach einer ausgiebigen Dusche noch immer roch wie ein Komposthaufen.
    »In dieser Schule geht irgendetwas vor. Das gefällt mir nicht«, ertönte die gestrenge Stimme meines Vaters aus dem Telefon. »Wir sollten zusehen, dass wir sie an einer anderen Schule unterbringen, Maxine.«
    »Sind die anderen Kinder gemein zu dir?«, erkundigte sich meine Mutter. »Möchtest du die Schule wechseln?«
    »Nö«, sagte ich ohne zu zögern. »So schlimm ist es nicht. Ich bleibe.«
    Tags darauf musste ich in der Schulkantine nicht mehr mutterseelenallein an einem Tisch sitzen, und gleich nach dem Unterricht kam zum ersten Mal in meinem Leben eine Freundin zum Spielen zu mir.
    Meine Eltern konnten sich nicht genug über Penelopes Äußeres wundern.
    »Das Kind braucht eine ordentliche Bürste und eine ordentliche Diät«, stellte mein Vater lachend fest, nachdem sie gegangen war.
    Meine Eltern kannten sie eben noch nicht, doch auch sie sollten ihre Qualitäten schon bald entdecken. Penelope Goldstein war mit Abstand das coolste Mädchen, das man sich vorstellen konnte.
    Sie ist/war das exakte Gegenteil von mir. Schon mit neun war sie bereit, für eine Sache zu kämpfen, wenn sie den Eindruck hatte, es könnte sich lohnen. Ihre Haltung hätte einer Schönheitskönigin zur Ehre gereicht, ihrem wenig einnehmenden Äußeren zum Trotz. Es gab haufenweise hübschere Mädchen mit feineren Zügen, doch Pen kann einem glaubhaft den Eindruck vermitteln, dass genau ihr Oberschenkelumfang erstrebenswert ist.

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