Die zehn besten Tage meines Lebens: Roman (German Edition)
mich
Bill Dorenfields Tochter Alex (»Bill Dorenfields Tochter« war, wie Sie sich vorstellen können, quasi mein zweiter Vorname, aber das nur nebenbei bemerkt)
Maxine Dorenfields Tochter
Evelyn Firesteins Enkelin
Harry Firesteins Enkelin
Morris Salis’ Nichte
Von meinen Großeltern und meinem Onkel haben Sie ja bereits gehört. Die kannte einfach jeder. Selbst zwanzig Jahre nach ihrem Tod konnte es vorkommen, dass ich Evelyn oder Harry Firesteins Enkelin oder Morris Salis’ Nichte genannt wurde. Ich liebte es, wenn jemand auf mich zukam und sagte: »Bist du nicht Evelyn Firesteins Enkeltochter? Eine tolle Frau, deine Großmutter.«
Da ging mir jedes Mal das Herz auf.
Ich hatte einen eher überschaubaren Freundeskreis; meine Eltern und Großeltern dagegen waren mit halb Philadelphia befreundet. Sie bestimmten das gesellschaftliche Leben der Stadt. Unablässig klingelte das Telefon – außer natürlich, es telefonierte gerade jemand, was praktisch ständig der Fall war.
Mein Vater zog meine Mutter oft damit auf, wenn sie wieder einmal die Nacht am Telefon verbracht hatte.
»Das ist eindeutig eine Erbkrankheit«, sagte er dann zu mir und lachte. »Dank deiner Mutter und deiner Großmutter hat die Telefongesellschaft ausgesorgt.«
Da ist etwas Wahres dran. Wenn ich an meine Großmutter denke, dann sehe ich sie in der Küche neben ihrem gelben Wandtelefon sitzen und bis in die frühen Morgenstunden darüber diskutieren, wer auf welcher Party welches Kleid getragen und wie die Betreffende darin ausgesehen hatte, oder sie plante bereits das nächste Dinner oder den nächsten Ausflug an die Küste von Jersey. Auf ihrer Kühlschranktür klebten stets Einladungen zu irgendwelchen Festivitäten – hier eine Hochzeit oder Bar Mizwah, dort eine Benefizgala oder ein Wohltätigkeitsball. Auch Onkel Morris, der gleich nebenan wohnte, hatte immer irgendeine Verabredung oder war mit seiner Clique, einem Trupp eingefleischter Junggesellen, in der Kneipe um die Ecke anzutreffen.
Und es wurde ständig getanzt.
Meine Großeltern waren leidenschaftliche Tänzer. Selbst wenn sie zum Babysitten kamen, wurde früher oder später der Plattenspieler angeworfen und die beiden legten eine kesse Rumba-, Mambo- oder Twostep-Sohle aufs Parkett. Und sie tanzten ganz hervorragend, das wird jeder bestätigen, der meine Großeltern und meinen Onkel kannte.
Der letzte Super-8-Film, auf dem meine Großeltern zu sehen sind, zeigt Grandpop, wie er mit Grandmom in unserer Küche das Tanzbein schwingt. Als Nächstes sieht man ihn mit Mom tanzen und Onkel Morris mit Grandmom, und zu guter Letzt kommt auch meine etwa vier- oder fünfjährige Wenigkeit angehopst. Grandpop hebt mich hoch, und wir fabrizieren gemeinsam mit Grandmom einen Twostep (oder genau genommen einen Threestep). Ich entsinne mich nicht, wann der Film entstanden ist und wer gefilmt hat – vermutlich mein Vater, denn er taucht als Einziger nicht darin auf. Es ist kein Tonfilm, aber wir haben trotzdem alle in die Kamera geredet und gelacht und Grimassen geschnitten. Wenn ich traurig war, habe ich mir immer diesen Film angesehen. Er dauert nur knapp drei Minuten, aber das genügte vollkommen, um mich in die Zeit zurückzuversetzen, als meine Großeltern und mein Onkel noch lebten und alles noch ganz einfach war. Sie liebten Partys, und ihr ganzes Leben war eine einzige Nonstop-Party.
Schade, dass ich die vielen Stunden mit ihnen nicht einfach zu meinem dritten besten Tag zusammenfassen kann. Im Grunde waren meine Großeltern und mein Onkel, von Penelope einmal abgesehen, meine besten Freunde. Ich zähle sie nur deshalb nicht offiziell zu dieser Kategorie, weil wir miteinander verwandt waren. Niemand ist mir je so nahe gewesen wie diese drei Menschen, niemand hat mich je besser verstanden als sie. Dank ihnen war mein Familienalltag bis zu meinem zwölften Lebensjahr von unentwegtem Gelächter erfüllt.
Da ein biologisches Wunder wie ich unmöglich einem Babysitter anvertraut werden konnte, passten die drei an den Samstagen abwechselnd auf mich auf. Wir spielten jede Menge Bridge und sahen Filmklassiker an. Meine Eltern blieben am Samstagabend kaum je zu Hause.
Aber auch an Werktagen waren meine Großeltern und Onkel Morris oft bei uns. Die Samstage waren zwar etwas Besonderes, doch es verging kaum ein Tag, an dem ich sie nicht wenigstens kurz zu Gesicht bekam. Meine Mutter erzählte einmal, mein Vater hätte nach der Hochzeit von ihren allgegenwärtigen Verwandten bald die
Weitere Kostenlose Bücher