Die zehn Fragen: Roman
nicht!" „Nur schade, daß ich zu seinen Lebzeiten nicht gemeiner zu ihm gewesen bin!"
„Ach, du warst gemein genug", bemerkte der Neffe.
David ging dazwischen. „Schluß jetzt, hört auf. Diese Streitereien führen zu gar nichts. Laßt das doch. Viel wichtiger ist, daß wir den Hinweis enträtseln."
„Was denn für einen Hinweis?" schrie ihn die Witwe an. „Seid ein gutes Ei? Eßt ein gesundes Frühstück? Was soll das bedeuten?"
Der Anwalt meinte: „Offensichtlich geht es um Eier."
Der Neffe rief aufgeregt: „Er hat irgendwas in irgendein Ei
verpackt!"
„Das muß es sein!" sagte der Anwalt.
Sie rannten alle in die Küche. Die Witwe öffnete den Kühlschrank. Es waren zwei Kartons Eier darin, ein Dutzend in jedem. Sie zerrte sie heraus und stellte sie auf den Küchentisch. „Wie stellen wir fest, welches Ei?" fragte der Neffe. „Wir probieren sie einfach der Reihe nach aus!" entschied der Anwalt.
Sie sahen zu, wie die Witwe das erste Ei aufschlug. Es klatschte auf dem Tisch auseinander. „Nichts", sagte sie. „Es ist einfach nur ein Ei."
Sie versuchte das nächste. Dasselbe passierte. Eines nach dem anderen schlug sie sämtliche Eier auf. Als sie fertig war, schwamm die Küche in Eiern. Aber nirgends war das kleinste Anzeichen von einem Schatz.
„Also hat er uns wieder einmal an der Nase herumgeführt", sagte die Witwe. „In diesen Eiern ist gar nichts."
„Reden wir doch drüben weiter", schlug David vor. Als sie wieder alle in der Bibliothek saßen, erklärte er: „Wir müssen uns diese Hinweise noch einmal genau ansehen. Er sagte: Folgt der Goldenen Regel, und er sagte: Seid nicht hektisch wie die Rußfangkehrer."
„Ja, aber was soll es bedeuten?" fragte der Neffe.
„Golden.. .", sinnierte David. „Da, gibt es doch ein Märchen von einem Goldenen Ei?" Er dachte angestrengt nach. „Was für ein Ei kann ein Vermögen wert sein? Die einzigen besonders wertvollen Eier, die ich kenne, sind die FabergéEier." Sein Gesicht hellte sich auf. „Ja, das ist es! Seid nicht hektisch wie die Rußfangkehrer! Das könnte bedeuten: Rußland! Die Fabergé-Eier stammen aus Rußland!"
„Was ist das, ein Fabergé-Ei?" fragte der Neffe.
David erklärte es ihm. „Vor vielen Jahren, als in Rußland noch die Zaren regierten, schuf ein Goldschmied namens Fabergé wunderschöne Schmuckeier aus Gold und Emaille und Edelsteinen."
„Und die sind soviel wert?" fragte die Witwe.
„Ein einziges dürfte heutzutage an die fünf Millionen Dollar wert sein."
„Und die stammen aus Rußland?" forschte der Neffe. „Ja."
„Großer Gott: der Mann, der hier war! Wie hieß er?" „Popow", sagte der Anwalt.
„Richtig. Popow. Sie haben doch gesagt, das sei ein, russischer Name?"
„Wahrscheinlich war er da, um uns dieses Ei zu bringen", stöhnte die Witwe. „Und ich schicke ihn weg!" „Wir müssen ihn finden!" sagte der Anwalt. „Aber wie?" fragte der Neffe.
Sie suchten in aller Eile den Butler. „Ist Mr. Popow schon
weg?"
„Ja."
Die Witwe packte ihn am Arm. „Hat er etwas gesagt, wo er
ist?"
„Er wollte zurück in sein Hotel."
„Ja, welches Hotel denn, sagen Sie schon!" rief der Neffe und schüttelte ihn unwillkürlich am Ärmel. „Das sagte er nicht", antwortete der Butler.
„So viele Hotels gibt es in der Stadt nicht", erklärte der Anwalt. „Wir finden ihn schon."
Kurz danach suchten sie das Telefonbuch nach allen Hotels der
Stadt durch und riefen sie der Reihe nach an. Im zehnten Hotel
hatten sie Glück.
„Wohnt bei Ihnen ein Mr. Popow?"
„Ja, das stimmt. Er ist nur gerade ..."
Aber da hatte der Neffe schon wieder aufgelegt. „Ich habe ihn! Er wohnt im Beverley Hilton!"
Alle rannten getrennt zu ihren Autos und fuhren los, um den anderen zuvorzukommen, in der Hoffnung, dann den Schatz für sich allein behalten zu können. Aber sie blieben alle im dichten Verkehr stecken.
Der Neffe kam schließlich als erster an, stürmte hinein zum Empfang und keuchte: „Ich möchte zu Mr. Popow."
„Sind Sie der Herr, der vorhin angerufen hat?" „Ja."
„Ich habe es Ihnen noch zu sagen versucht, aber Sie hatten gleich aufgelegt. Mr. Popow ist schon abgereist." „Was? Sagten Sie abgereist?"
„Wie ich sagte, ja. Sein Gepäck wurde heruntergebracht, und er ist auf dem Weg zum Flughafen."
Die anderen waren gerade noch rechtzeitig ebenfalls angekommen, um diese letzte Antwort zu hören. Und schon waren sie ohne ein Wort wieder weg und rasten zum Flughafen.
Mr. Popow wollte gerade zu seinem Flugzeug
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