Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)
bewahren. Doch unser aller Vater ist nicht hier und so seid ihr dem Bösen schutzlos ausgesetzt. Oft genug erkennt ihr es nicht einmal.“
Nargal hatte sich erhoben und ging nun langsam auf die beiden Menschen zu. Das eiskalte Blau strahlte wieder aus ihrem Innersten und tauchte den Raum zunehmend in denselben Farbton. Die tanzenden Schatten der brennenden Stadt auf den Wänden des Zimmers verblassten gegen das kalte Licht Nargals, wurden zurückgedrängt und erstarben schließlich ganz.
„Immerhin“, fuhr sie vollkommen ruhig fort. „Ich hatte Spaß mit euch. Ich hätte euch fast soweit gehabt, eure Suche aufzugeben. Dann hättet ihr den Rest eures Lebens damit zugebracht euch die Frage zu stellen ‘Was, wenn ich in der Hölle geblieben wäre und weiter nach Raphael gesucht hätte? Hätte ich ihn befreien können?‘ Das wäre eine echte Seelenqual für euch gewesen. Da ihr aber entschlossen seid, weiter zu suchen, muss ich zu anderen Mitteln greifen!“
„Was hast du mit uns vor?“, hauchte Elizabeth, während sie sich an Michaels Seite langsam rückwärts zur Tür bewegte.
„Was schon?“, gab Nargal zynisch zurück. „Ich behalte eure Seelen hier bei mir. Ihr geht jetzt nirgendwo mehr hin. Es wäre besser für euch gewesen, ihr hättet die Chance ergriffen, die ich euch bot, als ich euch gehen lassen wollte.“
Nargal legte den Kopf schief und lächelte mitleidig. „Ihr wollt zur Tür? Ich fürchte, daraus wird nichts!“
Michael und Elizabeth blieben abrupt stehen, während Nargal langsam auf sie zu kam. Gleich wäre sie da, dann wäre es zu spät für eine Flucht. Michaels Gedanken überschlugen sich. Die Tür war weniger als drei Meter entfernt.
„Akoloythoi!“, schrie er plötzlich und zeigte auf das Fenster.
Blitzschnell wandte Nargal sich mit einem lauten Kreischen um, Michael griff nach Elizabeths Hand und rannte durch die Tür, die mit einem lauten Knall hinter ihnen zuschlug.
„Schnell, die Treppe!“, schrie er und riss Elizabeth unsanft mit sich. Doch sie waren gerade erst wenige Stufen bis zum ersten Treppenabsatz gekommen, als Nargal bereits wieder vor ihnen stand.
„Was glaubt ihr, wen ihr vor euch habt?“, zischte sie mit einem bösartigen Lächeln. Jede Freundlichkeit war jetzt aus ihrem Gesicht gewichen und zurück blieb allein kalter Hass. „Gegen meinen Willen verlässt niemand diesen Ort. Dies ist mein Toter Palast. Hier regiere allein ich…“
„Akoloythoi!“, schrie Michael wieder voll Grauen, doch dieses Mal reagierte Nargal nicht. Sie beachtete auch Michaels Hand nicht, die über sie hinweg zeigte, sondern sah ihm hasserfüllt in die Augen.
„Hältst du mich für so dumm, Menschlein?“, fauchte sie und kam zornig näher. Sie ergriff Michael am Kinn und zog sein Gesicht nah an das ihre. „Für diese Frechheit werde ich dich leiden lassen. Dessen kannst du gewiss sein!“
In diesem Augenblick erklang ein unsicheres Scharren hinter ihr. Dann hörten die drei das krächzende Geräusch der Stimme eines Akoloythos.
„ Herrin! Meister Asrael uns geschickt! Menschen dort …“
Mit einem lauten Schrei fuhr Nargal herum und blieb einen Augenblick fassungslos und wie versteinert stehen. Nur wenige Schritte hinter ihr war das Treppenhaus von dutzenden Akoloythoi erfüllt, die ihnen den Weg nach unten versperrten. Nargal, Michael und Elizabeth sahen sie verdutzt an. Auch wenn keiner der Akoloythoi Augen und daher eine Mimik besaß, so war doch mehr als offensichtlich, dass ein jeder von ihnen Angst hatte. Vermutlich waren sie aus genau diesem Grund in so großer Zahl ins Haus gekommen.
Wieder schrie Nargal auf und ehe Michael und Elizabeth etwas sagen konnten, war sie bereits unter den Akoloythoi. Ein unbeschreiblicher Lärm setzte ein, als Nargal über sie herfiel. Köpfe, Gliedmaßen, Knochen und graue Fleischfetzen flogen durch die Gegend, während die Luft vom angsterfüllten Geschrei der Akoloythoi und den schrillen Zornesschreien Nargals erfüllt war. Jetzt erwies es sich als Fehler, dass die Akoloythoi aus Furcht vor ihr in so großer Zahl gekommen waren, denn nun versperrten sie einander jeden Fluchtweg. Aus diesem Treppenhaus gab es kein Entkommen für sie. Einige quälende Sekunden lang sahen Elizabeth und Michael von ihrem hohen Treppenabsatz aus zu, wie Nargal in einem unfassbaren Zornesrausch Dutzende von Dämonen tötete. Dann jedoch war es Elizabeth, die sich endlich fasste und nach Michaels Hand griff. Sie trat einen Schritt zurück und sprang dann
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