Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)
du nicht einmal, wohin du dich wenden sollst.“
„Weißt du es nicht?“, wandte Elizabeth sich an Nargal. „Du kennst dich doch in der Hölle aus. Du musst doch wissen, wo man Lilith und Raphael finden könnte.“
Nargal schüttelte den Kopf. „Ich weiß, wo sich Raphaels Toter Palast befindet. Aber ich würde nicht davon ausgehen, dass er und Lilith sich dort aufhalten. Vermutlich sind beide bei ihr und wo sie lebt, weiß wohl keiner von uns gefallenen Engeln.“
Eine Weile war es ganz still. Elizabeth starrte niedergeschlagen und gedankenverloren vor sich hin, während Michael unruhig auf seinem Platz hin und her rutschte. Schließlich war es Nargal, die ihre Stimme wieder erhob.
„Ich denke nicht, dass ihr heil aus dieser Geschichte kommen könnt. Es wäre das Beste für euch, wenn ihr wieder in die Welt der Lebenden zurückkehrtet. Du weißt doch, wie ihr wieder zurückgelangen könnt?“
Nargal sah Elizabeth an, die traurig nickte.
„Gut“, fuhr Nargal fort. „Dann geht. Ich werde euch nicht aufhalten. Ich bewundere euch dafür, dass ihr all dies auf euch nehmt – für einen von uns…“
Langsam ließ Nargal den Kopf sinken. Ganz still saß sie da und schien die beiden Menschen vergessen zu haben, die noch immer neben ihr saßen.
„Was wird aus dir?“, fragte Elizabeth vorsichtig.
Langsam hob Nargal den Kopf und sah sie an. „Was soll aus mir werden?“, fragte sie niedergedrückt. „Dies ist der Ort, an dem ich bis ans Ende aller Tage bleiben werde. Dort draußen gibt es nichts für mich…“
„Willst du nicht mit uns kommen?“, fragte Michael mit rauer Stimme. „Mit deiner Hilfe könnten wir es schaffen.“
„Was schaffen?“, fragte Elizabeth verwirrt.
„Zu Lilith vorzudringen“, erwiderte Michael unwirsch. „Wir zwei Menschen haben keine Chance diesen Kampf zu gewinnen und Raphael zu finden. Aber wenn uns ein Engel dabei helfen würde… wenn du uns dabei helfen würdest…“
Nargal ließ ihr glockenhelles Lachen erklingen. Ihre Traurigkeit schien plötzlich wie fortgefegt. „Aber Michael. Was versuchst du da? Warum sollte ich euch beiden helfen? Du hast mehr Glück, als dir selbst bewusst ist, dass ich euch beide nicht längst getötet habe!“
Nargal leuchtete in eiskaltem Blau auf, so dass Michael unwillkürlich vor ihr zurückwich.
„So bist du nicht!“, schnappte er zurück. „Du magst Menschen zum Morden angestachelt haben. Aber du selbst bist keine Mörderin!“
„Und was ist mit den Akoloythoi?“, lachte Nargal amüsiert.
„Wenn ich es recht verstanden habe, besitzen die nicht einmal eine Seele. Sie sind nichts weiter als Hüllen, gefüllt mit Bösartigkeit. Ihnen das Leben zu nehmen ist so, als würdest du die Luft aus einem Ballon lassen.“
Nargals Lachen erstarb. Eine Weile dachte sie still nach, während das Licht in ihrem Innern ungewöhnlich zu flackern begann und zwischen jenem eiskalten Blau, einem flammenden Rot und schließlich zu einem warmen Goldton hin- und her waberte. Endlich blickte sie Michael an.
„Ich habe dir gesagt, dass ich euch Menschen hasse“, begann sie. „Und daran ist jedes Wort wahr. Vertraust du mir dennoch?“
Michael zögerte keinen Augenblick. „Natürlich tue ich das!“
In diesem Moment gab es tatsächlich keinen wirklichen Zweifel in ihm. Nargal schien ihm vollkommen anders als alle anderen Engel, denen er bislang begegnet war, und doch hatte sie etwas an sich, was er mehr als anziehend fand. Ihre kleine Gestalt, die sanften, fast kindlichen Züge, ihre helle Stimme. All das stand in krassem Gegensatz zu ihren raubtierhaften Bewegungen und dem unheimlichen, blauen Licht, welches sie fast unablässig ausstrahlte. Doch in Michaels Augen hatten all jene ihrer Eigenschaften, die ihn irritierten, keinerlei Gewicht. Das Gefühl von Einsamkeit, welches sie ausstrahlte, war so übermächtig, dass es alles andere in den Hintergrund treten ließ.
Nargal lächelte ihn sanft an. „Ich werde dieses Haus nicht mehr verlassen“, sagte sie. „Nie mehr. Ich habe genug Unheil in der Welt da draußen angerichtet und ich bin eine größere Gefahr für euch, als du es dir eingestehen willst, Michael.“
Michael trat betreten einen Schritt zurück. „Wie meinst du das?“, fragte er.
„Ihr Menschen seid wie Kinder“, erwiderte Nargal geduldig und freundlich. „Ihr könnt die Gefahren, die überall um euch herum lauern nicht erkennen und seid vollkommen von euren Eltern abhängig, die euch schützen und vor Übel
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