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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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lange Geschichte…“, begann Elizabeth.
     
    …
     
    Lilith sah sich beinah verängstigt um. Die umliegenden Felswände schienen auf sie einzustürmen und sie erschlagen zu wollen. Seit Jahrtausenden war sie es gewohnt gewesen, den freien Himmel über sich zu sehen, keine Grenzen und Barrieren um sich zu haben. Und nun lief sie an Raphaels Seite durch die finsteren engen Tunnel des sechsten Höllenkreises, stets von Platzangst verfolgt und dazu gezwungen, den schmalen Kehren und Windungen der Gänge zu folgen. Sie hatte keine Angst vor den Kreaturen dieser Welt, denn sie wusste, dass sie auch hier vollkommen unverletzbar war. Doch der Anblick des alles umschließenden Felsgesteins lastete wie ein Alpdruck mit ungeheurer Wucht auf ihr.
    Raphael ging schweigend voran, sein sanftes Licht tauchte den Felsen in eine Farbe, die angenehm hätte sein können, wenn nicht das Wissen um die Tatsache gewesen wäre, dass selbst ein Engel diese Welt nur durch die vorhandenen Gänge betreten und verlassen konnte. Sich gewaltsam einen Ausgang zu verschaffen, wäre auch für sie beide zum Scheitern verurteilt gewesen, denn das Gestein dieses Höllenkreises hatte weder Anfang noch Ende.
    „Was denkst du, wie weit es ist?“, flüsterte Lilith unbewusst.
    „Ich weiß es nicht“, hallte Raphaels Stimme zurück. „Ich war noch nie zuvor hier. Diese Welt ist der Lüge und der Täuschung vorbehalten und man kann vielleicht einiges von mir sagen – aber ein Lügner war ich nie.“
    „Stimmt. Hier sollte man eher jemanden wie Asasel erwarten.“
    „Nein – Asasel hat einen anderen Platz in der Hölle. Dieser Ort wäre fast zu gut für ihn.“
    Lilith verzog überrascht das Gesicht. Mit dieser Antwort hatte sie nicht gerechnet. Sie war schon im Begriff etwas zu erwidern, doch Raphael beschleunigte plötzlich seinen Gang und begann zu laufen. Der Gang begann nun sehr deutlich bergab zu verlaufen und sich in immer enger werdenden Kehren in den Felsen zu schrauben. Lilith hatte alle Mühe, in seiner Nähe zu bleiben.
    „Was ist los?“, rief sie nach vorn, doch Raphael antwortete nicht. „Verdammt Raphael!“
    Raphael blieb so abrupt stehen, dass Lilith in ihn hineinrannte.
    „Es sind Menschen hier gewesen!“, flüsterte er. „Ich kann sie förmlich riechen, aber ich weiß nicht, ob Eleanor unter ihnen war.“
    „Es könnten auch Verdammte gewesen sein“, gab Lilith zu bedenken. „Ein Wunder, dass wir noch keinem begegnet sind. Eigentlich müsste hier alles voll von ihnen sein.“
    „Unwahrscheinlich. Wir haben den sechsten Kreis durch den Tunnel unter dem Grenzfluss betreten. Dieser Ort war nicht bewacht.“
    „Und was heißt das?“
    Raphael stieß ungeduldig die Luft aus. „Die Kreise der Hölle sind klar voneinander geschieden. Der Grund ist der, dass die Toten den Ort ihrer Strafe nicht verlassen können sollen. Jemand, der in den fünften Kreis gehört, soll unter keinen Umständen in den sechsten gelangen können, denn dort wäre die Existenz für ihn um vieles leichter.“
    „Das klingt fast zynisch, wenn man das über die Hölle sagt!“
    Raphael lächelte. „Und dennoch ist es so. Deshalb gibt es die Grenzflüsse. Kein Sünder kann sie durchqueren, denn er würde sofort bis auf den Grund sinken. Wir aber haben vorhin diesen Kreis durch einen Tunnel unterhalb des Grenzflusses betreten. Daher müssen wir in einem Teil des sechsten Kreises sein, der sich zwischen dem Grenzfluss und dem eigentlichen Hindernis befindet, welches die Toten nicht überwinden können. Aus diesem Grund haben wir auch bisher niemanden gesehen.“
    „Verdammt, Raphael. Deine Worte können einem Angst machen.“
    Raphael sah sie an und zog eine Augenbraue hoch.
    „Und wohin jetzt?“, fragte Lilith.
    „Dorthin!“, erwiderte Raphael und wies auf einen Gang, der rechts von ihnen vom Hauptgang abzweigte. „Dort sind die Menschen hineingegangen.“
    „Ab in die Finsternis!“, stellte Lilith fest. „Mal wieder.“
    Raphael nickte belustigt. Dann betrat er den dunklen Gang, während Lilith dicht an seiner Seite blieb. Das goldene Licht der beiden erhellte die Wände und tauchte sie in angenehme Farben. Hin und wieder glitzerten winzigste Diamanten im Fels auf, die wieder zurück in ewige Finsternis fielen, kaum dass die beiden Engel an ihnen vorübergeschritten waren.
    Mit jedem weiteren Schritt wurden sie nun wortkarger, bis Lilith nach einiger Zeit nichts mehr zu sagen wagte. Zugleich veränderte sich das Gestein, je weiter sie auf

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