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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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sie entsetzt.
    „Das ist die Barriere zwischen dem Grenzfluss und dem sechsten Kreis der Hölle“, erwiderte Raphael sichtlich bemüht, ruhig zu bleiben. „Kein Toter kann diese Höhle durchqueren, ohne von diesen… diesen Wesen verschlungen zu werden.“
    „Das ist ja schrecklich“, keuchte Lilith. „Wir müssen etwas tun. Wir können sie doch nicht da drinnen lassen.“
    „Wir können gar nichts tun. Um sie zu befreien müssten wir die Spinnen töten. Und dann stünde nichts mehr zwischen diesem Kreis und dem nächsten. Dann würden die Toten in Scharen zum siebten Kreis flüchten. Die Hölle würde jede Ordnung verlieren.“
    „Das nennst du Ordnung?“, fauchte Lilith fassungslos. „Das ist unmenschlich. Würdest du auch so denken, wenn diese Monster jemanden gefressen hätten, den du kennst? Was, wenn ich darin gefangen wäre… oder Eleanor…?“
    Die Stille, die auf ihre Worte folgte, schien sich endlos hinzuziehen. Raphael starrte sie an, unfähig seine Gedanken in Worte zu fassen. Er war hin- und hergerissen zwischen seinem Unwillen, die Hölle zu verändern und der Wahrheit, die in ihren Worten lag.
    „Diese Menschen sind Sünder“, begann er lahm. „Ein jeder von ihnen hat verdient hier zu sein…“
    „In der Hölle vielleicht“, antwortete Lilith aufgebracht. „Aber nicht in diesen Viechern!“
    „Ob du es glaubst oder nicht – aber es gibt schlimmere Orte in der Hölle als diesen.“
    „Keinen, den ich kenne!“
    Wieder schwieg Raphael einen Augenblick.
    „Selbst wenn wir sie dort herausbekommen…“, begann er zögernd, „…was geschieht dann mit ihnen? Wir dürfen sie nicht in den siebten Kreis lassen.“
    „Warum nicht? Wer sagt dir denn, dass sie nicht bereut haben? James hast du auch geholfen!“
    Jetzt sah Raphael sie fassungslos an.
    „Geht dir ihr Schicksal so nahe?“, fragte er schließlich sanft. Lilith blickte zu ihm auf und nickte stumm.
    Mit einem leisen Seufzen ließ Raphael ihre Hand los und trat unter eine der riesigen Spinnen. Dann ließ er seine Hand blitzschnell nach oben fahren und durchstieß die dünne Membran an der Unterseite des Spinnenhinterleibs. Ein Beben lief durch das gewaltige Tier und das hohe gespenstische Kreischen hallte erneut von den Wänden wider. Und doch wehrte die Spinne sich nicht, während das Leuchten in ihrem Innern nun immer heller und strahlender wurde. Zweifellos war ihre Angst vor Raphael so gewaltig, dass sie lieber ihre Verstümmelung in Kauf nahm, als den sicheren Tod zu riskieren. Lilith wandte sich angewidert ab und blickte unerwartet in acht riesige Augen, die sich nur wenige Zentimeter vor ihr befanden. In dem Aufruhr, der auf Raphaels Angriff gegen eine der kleineren Spinnen gefolgt war, hatte sich das größte der Tiere lautlos von der Decke herabgelassen. Ganz unzweifelhaft war dieses Tier bereit auf Leben und Tod zu kämpfen. Mit einem widerlichen Geräusch riss es seine riesigen Kieferklauen auf und schnappte nach Lilith.
    Lilith schrie auf und wich instinktiv zur Seite aus, dann schoss sie in Sekundenschnelle zur Decke hinauf und ließ ein grelles Licht durch ihren Körper fahren. Ehe die Spinne auch nur reagieren konnte, hatte sie sich wieder auf das Tier fallen lassen und hieb nun mit gewaltigen Schlägen auf den monströsen Körper ein. Körperteile, Panzerfragmente und Beine flogen durch die Höhle, dann folgten Gedärme und undefinierbare Fleischfetzen. In dem darauf folgenden Durcheinander brachen sämtliche Barrieren. Auch die anderen Spinnen stürzten sich nun auf Lilith, die wie in einem Rausch um sich hieb. Mehrmals glaubte sie ein schmerzhaftes Stechen zu spüren, wenn sie von einem der Tiere gebissen wurde, doch ihr war vollkommen klar, dass für sie keine echte Gefahr bestand. Diese Spinnen konnten sie kurzzeitig verletzen, doch gegen das göttliche Feuer in ihr waren sie machtlos.
    Irgendwann während ihres Rausches bemerkte sie Raphael an ihrer Seite, der nun ebenso mitleidlos auf die Spinnen einschlug und gleich ihr eine Schneise der Verwüstung und des Todes durch die Höhle zog.
    Und irgendwann regte sich nichts mehr. Lilith blieb schwer atmend stehen und sah sich fassungslos um. Die Höhle hatte sich in ein Schlachtfeld aus Körperteilen und blutigem Fleisch verwandelt. In einigen Ecken zuckten noch immer abgerissene Spinnenbeine, doch die Gefahr war zweifellos vorüber.
    „Das ist nicht gut“, keuchte Raphael. „Jetzt steht den Toten dieses Höllenkreises der Weg zum siebten Kreis

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