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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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„Ich glaube nicht, dass ich etwas von euch will. Ich weiß selbst nicht, wie ich hierhergekommen bin. Ich glaube, dass ich… dass ich… tot bin. Aber was mich hierher verschlagen hat, kann ich nicht sagen. Ich weiß nicht einmal, wo ich hier bin…“
    Eleanor brach verwirrt ab. Einige der Dorfbewohner nickten und sahen einander verstohlen an. Sie blickten Eleanor nun voll Mitleid an, ihre Angst war schlagartig verschwunden.
    „Wenn du hier bist, dann musst du zweifellos tot sein“, warf eine r der Männer in der Menge ein. Er war ebenso dürr wie alle anderen und seine Kleidung war wie die seiner Nachbarn zwar sauber, doch alt und fadenscheinig. Eleanor hätte nicht sagen können, wie alt er wohl sein mochte.
    „Wie lange bist du schon unterwegs, seitdem du in dieser W elt aufgewacht bist?“, fragte der Mann mitfühlend.
    „Wie lange?“, stotterte Eleanor verstört. „Ich weiß es nicht. Aber ihr seid die ersten Menschen, denen ich hier begegne.“
    Ein Raunen ging durch die Menge.
    „Bringt sie zu Vater Erik!“, rief jemand in der Menge und erneut setzte ein Tuscheln und Wispern ein.
    Endlich, nach viel zu langer Zeit, wie es Eleanor scheinen wollte, trat jener Mann erneut vor, der schon eben zu Eleanor gesprochen hatte.
    „I ch bringe sie zu ihm“, sagte er, indem er Eleanors Hand ergriff. Die Menschen um ihn nickten zustimmend und sofort öffnete sich der Kreis zu Eleanors rechter Seite. Der Mann lächelte sie noch einmal etwas gequält an, dann zog er Eleanor hinter sich her. Sie verließen den Menschenkreis, der erneut vollkommen still geworden war. Sämtliche Blicke folgten ihnen, als sie eine schmale Gasse zwischen zwei Häusern betraten und dann schnell im Schatten der überhängenden Reetdächer verschwanden.
    Sie waren indes nicht weit gegangen, als sie bereits das Ende des Dorfes erreicht hatten. Ein einziges Haus stand hier einen Steinwurf weit abseits der Siedlung inmitten des wogenden Grases. Ein kleiner Trampelpfad führte dorthin, und es schien Eleanor mehr als deutlich, dass der Bewohner dieses Ortes eine Sonderstellung innerhalb der Dorfgemeinschaft genoss. Doch ob es eine positive oder eine negative war, wusste sie noch nicht zu sagen. Und dennoch – als sie einen Blick zurück über ihre Schulter warf, sehnte sie sich plötzlich in den Schutz der eng zusammenstehenden Häuser des Dorfes zurück. Sie selbst hätte nicht so weit außerhalb des Dorfes in diesem unheimlich fahlen Grasmeer leben wollen, das ständig in Bewegung war und doch so tot und bedrohlich wirkte. Nicht weit entfernt sah sie auch wieder einige der schwarzen, furchteinflößenden Bäume stehen, die sich im Wind bewegten. Jenem Wind, den sie selbst nicht auf der Haut zu spüren vermochte.
    Sie waren mittlerweile vor der kleinen Hütte angekommen, in der Vater Erik leben musste. Und tatsächlich – rechts der niedrigen Tür hing ein kleines Holzkreuz an der Wand. Es war wie so vieles hier aus Schilf geflochten, doch es konnte keinen Zweifel geben: Es war ein christliches Symbol.
    Eleanor berührte das Kreuz sanft mit den Fingerspitzen. Ein christliches Kreuz? Hier in der Hölle?
    Ihr Begleiter hatte derweil die Tür geöffnet und winkte sie nun hinter sich her. Verwirrt ließ Eleanor das Kreuz los und folgte ihm in das Dunkel der Hütte. Obwohl Eleanor klein war, musste sie unter der Tür den Kopf einziehen, dann stand sie in Vater Eriks kleinem Reich.
    Ihre Augen benötigten einen Augenblick, um sich an die neuen Lichtverhältnisse zu gewöhnen, doch nach einigen Sekunden schälten sich die ersten Konturen und Farben aus der tiefen Finsternis.
    Das Innere der Hütte war beinahe leer. Lediglich zu Eleanors Rechten befand sich eine kleine Kochstelle, deren Feuer kalt und erloschen war, daneben eine Truhe und eine Schlafstatt aus Stroh mit einer dünnen, schmutzigen Decke. An der Wand gegenüber der Tür jedoch stand ein einfacher Altar aus Feldsteinen, der von einer einzelnen Kerze erleuchtet wurde. Vor diesem Altar kniete ein kleiner Mann, der so ins Gebet vertieft war, dass er die beiden Neuankömmlinge noch nicht bemerkt hatte. Erst ein Räuspern des Mannes an Eleanors Seite ließ ihn aufhorchen. Steif wandte er sich um und blickte die beiden an.
    „Ah, Will“, sagte er. „Wen bringst du da mit?“
    „Sie sagt ihr Name sei Eleanor. Sie… sie ist neu in dieser Welt…“
    Vater Erik kniff die Augen zusammen und sah Eleanor an. Dann sprang er plötzlich auf und kam ihr eilig entgegen. Er ergriff ihre Hand und

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