Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)
Menschenhölle!“, sagte der Engel und jetzt erkannte Eleanor ihn. Es war Gabriel.
Raphael beugte das Knie und senkte den Kopf. Lilith sah einen Augenblick verunsichert zu ihm hinab. Dann machte sie etwas vollkommen Unerwartetes – sie tat es ihm nach!
Auch die Menschen sanken nun auf die Knie und beugten sich der Macht Gottes, in deren Namen Gabriel gekommen war.
„Ich war noch nie hier!“, sagte Gabriel leise. „Ich kann gut verstehen, warum dies ein Ort des Leidens ist.“
„Was wünscht unser Herr?“, fragte Raphael und erst jetzt sah Gabriel zu ihm hinab. Ein amüsiertes Lächeln zog sich über sein Gesicht.
„Ich bin nicht im Auftrag des Herrn hier, sondern im Namen seines Sohnes!“
„Im Namen seines Sohnes?“, fragte Raphael irritiert.
„Ja. Ich habe eine Botschaft für einen unter euch, die Jeshua mir aufgetragen hat zu bestellen.“
Schlagartig wurde es vollkommen still, auch das letzte Getuschel in der Menge erstarb, als nun alle Gabriel ansahen.
„Eleanor?“, fragte dieser. „Wo ist Eleanor?“
„Hier bin ich“, flüsterte Eleanor heiser vor Aufregung.
Gabriels Blick fiel auf sie und nun begann er sich durch die kniende Menge auf sie zu zubewegen. Wie ein Raubtier kam der riesige Engel auf sie zu und Eleanor begann unwillkürlich am ganzen Leib zu zittern. Sie dachte an ihre letzte Begegnung mit Gabriel auf dem Sinai zurück und wie er damals ihre Spur aufgenommen zu haben schien. Wie er ihren Geruch eingeatmet und sie angesehen hatte. So als sei sie ein wildes Tier, dass er irgendwann einmal erlegen würde. War dies der Augenblick, vor dem sie sich gefürchtet hatte?
Gabriel blieb vor ihr stehen und schließlich sank er zu ihr hinab. Sein riesiger Kopf war nun direkt vor ihr und sein Gesicht nur eine Handbreit von dem ihren entfernt. Er sah sie an und unter seinem Blick begann sie bis in die tiefsten Tiefen hinein zu frieren.
„Fürchte dich nicht, Eleanor Menschenkind“, flüsterte er. „Ich bin hier, um dir eine Botschaft von Jeshua auszurichten. Bist du bereit dafür?“
Eleanor nickte verkrampft. Noch immer wagte sie nicht, zu dem gewaltigen Engel aufzublicken.
„Es gibt hier in der Hölle jemanden, der unserer Hilfe bedarf“, begann Gabriel. „Er befindet sich an einem Ort, zu dem weder Jeshua noch ich vordringen können. Ahnst du, um was für einen Ort es sich handelt?“
Wieder nickte Eleanor. „Das Zentrum der Hölle?“, fragte sie unsicher.
„Ja, das Zentrum der Hölle. Der innerste und erste Kreis. Nur zwei Lebewesen befinden sich dort. Und es wird deine Aufgabe sein eines von dort zu befreien. Ich selbst werde dich dorthin bringen. Aber wenn du dort bist wird alles weitere bei dir liegen.“
„Nein!“, hallte ein Schrei durch die Stille. Alle sahen sich um und jeder konnte sehen, dass Raphael sich erhoben hatte und auf Gabriel und Eleanor zuging.
„Ich werde nicht zulassen, dass sie noch tiefer in die Hölle geht!“, begann er erregt. „Es ist ein Wunder, dass sie es überhaupt bis hierher geschafft hat und…“
„Ein Wunder?“, fiel ihm Gabriel ins hart Wort. „Nichts von dem was geschehen ist, war ein Wunder. Habt ihr euch denn nicht gefragt, wie Eleanor überhaupt hierhergekommen ist? Ich war es, der sie davon abgehalten hat ins Licht zu gehen! Und ebenso war ich es, der dafür gesorgt hat, dass sie in der Hölle auf William Foltridge stoßen würde! Sie sollte einen treuen Begleiter an ihrer Seite haben, aber es war wichtig, dass sie die Hölle auf ihren eigenen Wegen kennenlernen würde. Nur so wird sie gewappnet sein gegen das, was jetzt kommen wird!“
„Gegen das was jetzt kommen wird?“, hauchte Raphael fassungslos. „Was hast du vor?“
„Ich? Nichts. Ich befolge nur die Befehle Jeshuas. Vor fast zweitausend Jahren hat er sich in die Schuld eines Mannes begeben, den er zu retten versprach, wenn diesem die Rettung nicht aus eigener Kraft gelingen würde.“
„Juda! Juda Iskariot!“, brach es aus Raphael hervor.
„Ja. Juda Iskariot. Jeshua hat ihm geschworen ihn aus der Hölle zu holen, wenn er durch den Verrat an seinem Herrn aus lauter Selbsthass in der Hölle landen würde. Und tatsächlich ist es genauso gekommen. Sieben Tage nach Jeshuas Kreuzigung wurde Juda erschlagen. Von einem betrunkenen römischen Legionär, der seinen Frust über seine Stationierung in Judäa an einem hilflosen Bündel abließ, das sich des Nachts zitternd in den Rinnstein gekauert hatte. Juda hasste sich selbst so sehr für die Tat, die
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