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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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um einer solchen Übermacht Herr zu werden. Unsere Optionen sind begrenzt.“
    Einen Augenblick lang war es ganz still. Niemand wagte ein Wort zu sagen. Dann endlich erhob sich eine Stimme aus dem Schweigen.
    „Wozu brauchen wir das schwarze Wasser? Wir haben zwei Engel und es sind doch nur Akoloythoi!“
    Alle wandten sich nach der Stimme um. Dort stand Lilith und sah herausfordernd in die Runde. Erst jetzt wurde vielen die Anwesenheit des zweiten Engels wirklich bewusst. Die Menschenmenge teilte sich und gab den Blick frei auf eine Lilith, die wunderschön und selbstbewusst in ihrem göttlichen Feuer erstrahlte. Bis eben hatte sie abseits gestanden doch nun wandten sich ihr alle Blicke zu.
    „Du willst gegen sie kämpfen?“, fragte Raphael sie verblüfft. „Was erhoffst du dir davon?“
    „Ich habe nichts zu verlieren“, erwiderte Lilith. „Es bedürfte Millionen von ihnen, um mich zu töten. Aber diese Menschen hier haben es nicht verdient, von ihnen zurück an den Ort ihrer Strafe getrieben zu werden. Keiner von ihnen. Sie sind schwach und hilflos und sie brauchen uns.“
    Sie wies auf die Menschen, die im Kreis um die beiden Engel standen und Raphael folgte ihrem Blick. Einen Augenblick lang zögerte er, dann nickte er beeindruckt. Wieder einmal sah er sie mit einem Blick an, der mehr als deutlich verriet, dass er wieder eine unbekannte Facette an ihr entdeckt hatte.
    „Schwach und hilflos“, dachte er. „So wie die Kinder, um die du dich in Dragowicze gekümmert hast.“
    „Was hast du vor?“, fragte er laut.
    „Die Menschen bleiben hier“, sagte Lilith bestimmt. „Hier sind sie sicher – zudem können sie sich mit dem Rest des schwarzen Wassers bewaffnen. Wir zwei gehen hinaus und räumen dort draußen auf.“
    Jetzt lachte Raphael. „Ja, das klingt ganz nach dir!“
    Einen Moment sah Lilith ihn verwirrt an. Dann lachte auch sie.
    „Ich weiß nicht, wie viel wir erreichen können“, wandte sie sich schließlich an Oliver. „Aber vielleicht gelingt es uns, einen so harten Schlag gegen sie zu führen, dass sie es nie wieder wagen werden, sich diesem Ort auf hundert Schritte zu nähern.“
    Jetzt war es an Michael und Elizabeth zu nicken. Das Haus Nargals am Berkeley Square stand ihnen vor dem geistigen Auge und ebenso der Schrecken, den Nargal dort unter den Akoloythoi gesät hatte. Wenn Raphael und Lilith hier etwas Ähnliches gelingen sollte, wären die Mitglieder der Kirche der Verlorenen schlagartig von ihren Ängsten befreit.
    Raphael sah Eleanor an und drückte sie noch einmal fest an sich. Er legte seine Stirn gegen ihre und eine warme Welle unbeschreiblichen Wohlgefühls durchflutete sie. Sie hörte seine Stimme in ihrem Geist – Worte, die nur für sie bestimmt waren und die sanft in ihren Kopf flossen.
    „Es wird nicht lange dauern“, sagte er. „Bleib hier bei den anderen. Lilith und ich werden uns um alles kümmern.“
    Ein kurzer Stich ging durch Eleanors Herz, als sie den Namen Liliths von ihm hörte. Doch schon war es vorbei und dann löste er sich von ihr.
    Die Menschen in der Halle begannen durcheinander zu laufen und Vorbereitungen gegen einen Angriff zu treffen. Einige rannten hinunter in den Keller um die letzten Krüge mit schwarzem Wasser heraufzuholen. Andere errichteten in aller Eile provisorische Barrikaden aus herumstehenden Särgen und Bänken. Immer wieder blickten die Menschen verängstigt zu den großen Fenstern hinüber, hinter denen die Schatten unzähliger Akoloythoi schweigend umher huschten. Und doch fühlten die meisten sich sicher, jetzt, da sie zwei Engel auf ihrer Seite hatten.
    Schließlich trat Oliver an Lilith heran und nickte.
    „Wir sind so weit… ähm… Madam“, stammelte er unsicher. Noch nie hatte er einen weiblichen Engel vor sich gehabt und obwohl er höflich und ehrerbietig sein wollte, so fehlten ihm doch die richtigen Worte um Lilith zu begegnen. Lilith aber lächelte ihn unerwartet freundlich an.
    „Gut“, sagte sie. „Bildet einen Kreis in der Mitte der Halle, so dass ihr euch verteidigen könnt, sollten tatsächlich Akoloythoi hier eindringen.“
    Dann wandte sie sich an Raphael. „Können wir?“, fragte sie.
    Raphael nickte. Ein letztes Mal drückte er Eleanors Hand. Dann trat er aus der Menschenmenge heraus und ging Seite an Seite mit Lilith zur Tür. Eleanor sah ihm sehnsüchtig nach. Sie wusste, dass die Akoloythoi ihm nichts anhaben konnten. Doch ihn jetzt wieder gehen zu sehen, tat mehr weh, als sie glaubte ertragen zu

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