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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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beim ersten Mal wich das Wasser auch jetzt vor Eleanor zurück als habe es Angst vor ihr. Sie gingen langsam, doch nach einigen Minuten hatte sie das andere Ufer erreicht und verließen den Fluss.
    Die ersten Nebelschwaden hüllten sie bereits ein als sie noch einmal auf die andere Seite des Flusses sahen. Mittlerweile hatten die Akoloythoi das Ufer erreicht, doch offensichtlich hatten sie die Spur verloren. Sie witterten, kratzten mit ihren langen Krallen den Boden auf um eine neue Fährte aufzunehmen und legten orientierungslos die Köpfe schief. Ganz offensichtlich konnten sie nichts von dem wahrnehmen, was sich auf dem anderen Ufer des Flusses tat. Die Menschen waren ihrer Wahrnehmung entzogen.
    „Wir haben es geschafft.“, schnaubte Robert. „Das war knapp.“
    „Allerdings“, stimmte William ihm zu. „Aber wie kommt es, dass die Berührung mit Eleanor dem Akoloythos weh tat, während keiner von denen ein Problem mit uns hatte?“
    Sie sahen einander ratlos an, einige zuckten die Schultern. Eine Erklärung für dieses Phänomen hatte niemand, nicht einmal William. Noch einmal blickten sie zurück ans andere Ufer, wo die Akoloythoi mit ihren unheimlichen Stimmen merkwürdige Laute von sich gaben, die fast wie eine Unterhaltung klangen. Mehrmals wies eines dieser Wesen mit seinen Klauen über den Fluss, doch dann sahen sie, wie die Akoloythoi sich schließlich abwandten und den Canyon zurückliefen. Den Fluss zu überqueren und damit den naheliegendsten Weg der Menschen zu verfolgen, war offenbar keinem von ihnen ernsthaft in den Sinn gekommen. Auch das war zweifellos ungewöhnlich.
    „Also gut“, sagte Eleanor. „Lasst uns eine Weile am Ufer entlang gehen, bis wir wieder gefahrlos auf die andere Seite können. Die Viecher drüben sind zwar weg, aber von hier aus könnten wir nur wieder in den Canyon zurück und dann haben sie uns gleich.“
    Schweigend setzte sich die Gruppe in Bewegung. Eleanor und William gingen voran, gefolgt von Kathryn und Allys. Robert und Toby bildeten die Nachhut. Nach einigen hundert Metern wurde das Ufergelände felsig und sie waren gezwungen sich vom Fluss zu entfernen. Sie gingen nun einen schmalen Pfad entlang, zu ihrer Rechten türmten sich bizarr anmutende Felsen auf und versperrten ihnen die Sicht auf den Fluss. Nicht einmal hören konnten sie ihn noch, denn sein schwarzes, zäh anmutendes Wasser gab keine Geräusche von sich. Kein Rauschen, Gluckern oder Glucksen.
    Es war William, der schließlich zaghaft an Eleanors Ärmel zupfte und sie leise ansprach.
    „Lady Eleanor, ich glaube wir sind hier nicht in der Vorhölle.“
    Verwirrt blieb Eleanor stehen. „Was sagst du da? Wo sollen wir denn sonst sein?“
    „Auf jeden Fall nicht in jenem Teil der Hölle, in dem das Dorf der Küstenbewohner steht.“
    „Woher weißt du das?“
    „Der Nebel“, flüsterte William. „Er ist ganz anders als in meinem Dorf. Zuhause ist er finster, aber dennoch ein wenig wie ein Schutzmantel, der dich vor den Blicken böser Augen verbergen kann. Der Nebel an diesem Ort aber ist viel dichter. Er bewegt sich nicht und ich habe das Gefühl, dass tausend Blicke auf mir ruhen. Dieser Nebel fühlt sich irgendwie… lebendig an.“
    Die kleine Gruppe rückte unwillkürlich näher aneinander. Alle sahen sich um, Allys und Kathryn ängstlich, Robert und Toby wachsam und misstrauisch. Williams Worte hatten etwas ausgelöst, dass bis dahin in ihnen geschlummert hatte. Jenes stete Gefühl der Angst, dass allein aufgrund der Aufregung um die Akoloythoi für kurze Zeit unterdrückt worden war. Jenes Gefühl der Angst, dass so fest und unabänderlich zum Leben in der Hölle gehörte, wie die Luft zum Atmen in der Welt der Lebenden.
    „Wenn wir nicht in der Vorhölle sind, wo sind wir dann?“, flüsterte Toby.
    „Ich weiß es nicht“, erwiderte William. „Aber kann es sein, dass der Fluss, den wir überquert haben, nicht derselbe war, der die Vorhölle vom neunten Kreis der Hölle trennt?“
    „Du meinst wir haben den achten Kreis betreten?“, fragte Eleanor ebenso leise wie Toby.
    William nickte betreten. „Es sieht ganz so aus.“
    „Was weißt du über diesen Teil der Hölle?“, ließ sich nun Robert vernehmen.
    „Nicht viel. Der achte Kreis der Hölle ist der Gleichgültigkeit verschrieben“, antwortete William. „Hier landen all jene, die zu Lebzeiten die Stimme Gottes hörten aber als unwichtig abtaten. Dies ist der Ort, wo all jene leben müssen, die sich zu Lebzeiten blind und taub

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