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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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im Körper, aber da ist sie nicht. Bleibt nur die Hölle. Ich weiß nicht, wie sie es geschafft haben kann dorthin zu gelangen und nicht gleichzeitig zu sterben, aber irgendwie muss es ihr gelungen sein. Eine andere Erklärung gibt es nicht!“
    „Aber was will sie in der Hölle?“
    „Wer sagt dir denn, dass es eine bewusste Entscheidung von ihr war?“, konterte Raphael betont ruhig. „Vielleicht hat da jemand ein wenig nachgeholfen…“
    Lilith riss die Augen auf. „Du denkst doch nicht etwa an mich? Ich war die letzten Wochen immer an deiner Seite. Du hättest es merken müssen, wenn ich hierhergekommen wäre!“
    „Und was ist mit Asasel? Kannst du dich auch für ihn verbürgen?“
    Eine unheimliche Ruhe folgte auf seine Worte. Das leise Piepen und monotone Surren der Instrumente um Eleanors Bett beherrschte plötzlich die ganze Welt.
    „Das würde er nicht wagen!“, zischte Lilith.
    „Vielleicht hat er das aber!“, fuhr Raphael sie wütend an. „Und vermutlich lacht er sich noch immer ins Fäustchen, weil ich ihm freie Bahn gelassen habe indem ich dir gefolgt bin.“
    Verbittert verzog Lilith den Mund. „Du gibst mir dir Schuld an dem hier, stimmt’s?“ Mit einer zornigen Geste zeigte sie auf die medizinischen Apparaturen und den Körper auf dem Bett.
    Raphael ballte unbewusst die Fäuste doch er sagte nichts. Lilith hingegen trat einen Schritt von ihm zurück und sah ihn verletzt an.
    „So ist es doch. In deinen Augen bin ich für all das hier verantwortlich. Dabei wollte ich weiter nichts als eine Chance. Ich wollte, dass du mich ansiehst und vielleicht eines Tages begreifst, dass ich besser für dich bin als Eleanor. Dass sie zu Schaden kommt habe ich nie gewollt.“
    Noch immer schwieg Raphael. Er sah Lilith nicht einmal mehr an, sondern blickte nur noch vergrämt auf den Körper vor sich, der so schwach und so zerstört war, dass er ohne all die Geräte und Schläuche an denen er hing, ohne all die Drogen, die ihn durchströmten, schon längst nicht mehr leben würde.
    Erneut stieg eine unglaubliche Wut in Lilith auf. Diesmal aber war es eine Wut, die sich nicht gegen Raphael oder Eleanor richtete. Es war ihr Hass gegen das Schicksal, gegen die Ungerechtigkeit, der sich in diesem Augenblick Bahn brach. Ihr Körper leuchtete rot auf, während sich ihre Schwingen entfalteten und dabei in dem engen Raum ein Beistelltischchen und einen Schrank umwarfen.
    „Ich werde dir ihre Seele wiederbringen!“, schrie sie. „Ich bringe dir ihre verdammte Seele zurück, damit du sie wiederbeleben kannst! Von mir aus kannst du mit ihr glücklich werden – aber ich werde nicht zulassen, dass du so von mir denkst… dass du mich zur Schuldigen für dein Leid machst!“
    Mit diesen Worten durchbrach sie das Fenster mit solcher Wucht, dass Teile des umliegenden Mauerwerks noch über fünfzig Meter weit flogen.
    Liliths Seele kochte. Selbst die kalte Nachtluft vermochte das brennende Gefühl der Enttäuschung in ihr nicht abzukühlen. Zorn, verletzter Stolz und ein alles verzehrender Hass tobten in ihr, trieben sie mit aller Kraft vorwärts und ließen sie zu keinem klaren Gedanken kommen. Dabei hätte sie nicht einmal genau sagen können, gegen wen sich ihre Gefühle richteten. Sicher nicht gegen Eleanor, die nichts für ihre Situation konnte. Auch nicht gegen Raphael. Jenen Raphael den sie liebte, den sie mehr alles andere auf der Welt haben wollte und doch niemals bekommen würde. Das Band zwischen ihm und Eleanor war zu stark, als dass sie es hätte durchtrennen können. Das wurde ihr in diesem Augenblick endlich klar.
    Nein – ihr Hass richtete sich gegen Gott. Jenen Gott, der ihr diese Ungerechtigkeit aufgebürdet hatte. Jenen Gott, der tatenlos mit angesehen hatte, wie sie an ihrem Leben als Mensch gescheitert war und wie sie nun an einem Leben als Engel zerbrach. Was nützte einem die Ewigkeit, wenn man sie mit niemandem teilen konnte?
    Lilith stieß einen Zornesschrei aus und raste auf die Erde zu. Mit ungeheurer Kraft schlug sie in einen Wald ein und riss im Sturz eine vierzig Meter lange Schneise in die Bäume, die splitternd und krachend durch die Gegend flogen. Heute scherte sie sich nicht darum unauffällig zu sein. Mochte die Welt ihre Wut sehen und sich fürchten. Ihr war es egal.
    „Ich hasse dich!“, schrie sie mit geballten Fäusten gen Himmel. Die Tränen liefen ihr die Wangen hinab und verdampften auf ihrer brennenden Haut. „Hörst du? Ich hasse dich! Ich hasse dich!“
    Dann brach sie

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