Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
Vom Netzwerk:
schien die ganze Welt auszufüllen, während Eleanor sich langsam durch den See voran arbeitete. Sie ging bedächtig und beinahe in Zeitlupe weiter, immer darauf bedacht der Lava genug Zeit für ihren Rückzug zu geben. Das Heulen der brennenden Seelen war nun nahezu unerträglich geworden und immer wieder sah Eleanor Arme, Beine und gequälte Gesichter aus der brennenden Masse um sich auftauchen. Doch sie ging schleppend weiter, den Blick starr auf die Lavawand vor sich gerichtet, keinen Eindruck in ihr Herz lassend und all die Gefühle abwehrend, sie auf sie einstürmten. Die Mauer, die sie beim Anblick all der geschundenen Seelen in diesem Augenblick um ihr Herz errichtete, musste stark genug für die Gewalt der Lava sein und zugleich stark genug, all das Leid zu sehen und dennoch nicht wahnsinnig zu werden. Sie bemerkte nicht einmal, dass sie weinte, denn die flirrende Luft ließ ihre Tränen verdampfen, noch bevor sie ihre glühenden Wangen hinunterlaufen konnte.
    Und dann, nach einer Ewigkeit wie es schien, erreichten sie endlich das andere Ufer. Eleanor erklomm einen felsigen Vorsprung, hinter dem sich erneut ein scharfkantiger Uferhang in schwindelerregende Höhen hinaufzog. Sie schnappte unwillkürlich nach Luft, nachdem sie die enorme Hitze zumindest zu einem kleinen Teil hinter sich gelassen hatten. Dann wandte sie sich um und erstarrte. Ihre kleine Gruppe war um mindestens zwanzig Personen angewachsen. Direkt an ihrer Seite stand William, dahinter Toby und Kathryn, Robert und eine weinende Allys. Doch dann folgten zahlreiche Gesichter, die sie noch nie zuvor gesehen hatte. Die letzten der Neuankömmlinge arbeiteten sich gerade den Steilhang zum Felsvorsprung hinauf, bevor die Lavamassen sich endgültig hinter ihnen schlossen und sie erneut zu verschlucken drohten. Viele von ihnen husteten, rieben sich die gequälte Haut oder klopften sich panisch die rauchenden verkohlten Kleider aus, von denen noch immer die letzten einzelnen Glutnester und Flammeninseln empor flackerten.
    Eleanor öffnete wortlos den Mund. Sie war fassungslos und entsetzt. Es war William, der ihrer Frage zuvorkam.
    „Diese Menschen sind uns aus der Lava förmlich vor die Füße gefallen, während wir hindurchgingen. Sie wurden aus den Lavawänden auf beiden Seiten neben uns herausgespült und blieben vor uns liegen. Wir haben ihnen so schnell wie möglich auf die Beine geholfen und sie mit uns mitgeschleppt. Einige mussten wir tragen, sie waren zu schwach zum Laufen.“
    „All diese Menschen kommen aus dem Lavasee?“, wiederholte Eleanor erschüttert. William nickte stumm.
    Nach und nach versammelten sich die Menschen nun um Eleanor. Das Heulen der Zurückgebliebenen im Flammensee umtoste sie noch immer, doch all das verblasste angesichts der verängstigten Blicke, die Eleanor aus so vielen Augen trafen. Ein alter Mann trat schließlich vor und blieb zitternd vor Eleanor stehen.
    „Milady, ich weiß nicht wie ihr den See der brennenden Seelen habt durchqueren können. Doch ich danke euch für eure Barmherzigkeit und den Mut mit dem ihr uns alle befreit habt. Wenn ich euch diese Tat vergelten kann, so will ich es tun.“
    Dann sank er vor Eleanor auf die Knie und legte seine Hand auf sein Herz. Auch die anderen taten es ihm nun nach, allein William, Toby, Robert, Allys und Kathryn blieben an Eleanors Seite stehen und blickten gebannt auf das Schauspiel, das sich ihnen bot. All diese Menschen unterschieden sich stark voneinander. Es gab Alte und Junge, Männer und Frauen. Manche von ihnen trugen altertümliche Kleidung, ein paar sogar antike Trachten. Doch in einem waren sie einander vollkommen gleich – sie alle hatten ein Feuer in ihrem Blick brennen, das von Schmerz, Sehnsucht und Scham zeugte. Sie alle hatten eine Atempause von ihren Leiden erhalten und ein jeder würde darum kämpfen, dass diese Pause so lange wie möglich Bestand haben würde.
    „Ich weiß nicht wer ihr seid. Ich kenne keinen von euch“, begann Eleanor mit brüchiger Stimme. „Aber was immer eure Sünden waren – für mich spielen sie keine Rolle. Ich bin in die Hölle gegangen um jemanden zu suchen und ich werde nicht eher umkehren als bis ich ihn gefunden habe. Ich mache keinem von euch Vorschriften was er nun zu tun hat. Aber wenn ihr wollt könnt ihr mit mir mitkommen.“
    Eine Weile sagte keiner ein Wort. Dann erhob sich eine zaghafte Stimme aus den hinteren Reihen über das Heulen der brennenden Seelen hinweg.
    „Willst du die Hölle

Weitere Kostenlose Bücher