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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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unseren Stimmen orientieren und zu uns finden.“
    William schüttelte den Kopf. „Das führt nur die Akoloythoi zu uns. Wir sollten machen, dass wir weiterkommen.“
    Alle Blicken wandten sich zu Eleanor, die zaghaft nickte. Und so gingen sie weiter auf jenem schmalen Pfad entlang, der sie so weit wie möglich vom Lavasee fortbringen sollte. Keiner von ihnen hätte später sagen können, wie lange sie so unterwegs gewesen waren, denn die Zeit wurde ihnen wahrlich lang. Mehr und mehr Stimmen drangen aus dem Nebel zu ihnen. Wirres, zusammenhangloses Gestammel, Stöhnen und Flüche. Oft war lautes Weinen zu hören, ebenso wie irre und unkontrollierte Selbstgespräche. Mehrfach erblickten sie in einiger Entfernung flackernde Lichtinseln im Nebel. Dort häuften sich die Stimmen, doch sie brachten es auch an jenen Orten nicht über sich zu rufen, denn im Umkreis jener Lichtinseln lagen böse Stimmen in der Luft, grausam und tückisch.
    „Dieser Nebel macht mich krank!“, stöhnte Toby. „Er bewegt sich auf unnatürliche Weise und fast habe ich das Gefühl, dass er gar kein irdisches Phänomen ist, sondern ein Lebewesen, das uns alle hier festhält.“
    „Ja“, erwiderte Eleanor tief in Gedanken versunken. So tief hing sie ihren trüben Gedanken nach, dass sie selbst überrascht war, als sie durch das Getrappel der vielen ihr folgenden Füße hindurch ein leises Rauschen auf dem nebligen Weg vor sich vernahm. Kurz darauf standen sie vor den pechschwarzen Wassermassen eines Grenzflusses.
    „Wir können nur hoffen, dass dahinter der siebte Kreis liegt“, flüsterte Toby. „Aber wenn ihr mich fragt – diese Todesflüsse sehen alle gleich aus. Wenn dort drüben der neunte Kreis auf uns wartete, würde es mich auch nicht wundern.“
    Alle Blicke richteten sich nun auf Eleanor. Sie würde sie über den Fluss führen müssen, denn allein vermochte keiner von ihnen diese Grenze zu überwinden.
    Eleanor atmete tief durch.
    „Bleibt dicht bei mir. Haltet euch von dem schwarzen Wasser fern. Es wird euch nicht verschlingen, aber eine einzige Berührung von ihm verursacht euch Schmerzen und Angst!“
    Die meisten nickten ernst. Nur einige wenige begannen bei dem Gedanken an die Flussüberquerung zu weinen. Die Männer wischten ihre Tränen verstohlen fort, die Frauen hingegen verbargen ihre Ängste nicht.
    „Fürchtet euch nicht“, wiederholte Eleanor. „Solange ihr eine Einheit bildet, wird euch nichts geschehen.“
    Und in diesem Moment hatte sie eine Idee.
    „Fasst euch bei den Händen. Jeder von euch muss ein Teil der Gruppe sein. Zwei von euch werden mich anfassen, dann ist ein Teil von mir bei jedem von euch. Vielleicht spürt das Wasser es, wenn ihr alle zu mir gehört!“
    Die Menschen nickten nervös und fassten einander eilig an. William kontrollierte noch einmal, ob auch alle Teil einer einzigen Gruppe waren, dann gab er Eleanor ein stilles Zeichen.
    Langsam, fast behutsam näherte sich die Menschengruppe mit Eleanor an der Spitze dem schwarzen Wasser. Ölig, und doch alles andere als träge, lag der Fluss finster vor ihnen. Schon jetzt konnten sie immer wieder einzelne menschliche Gliedmaße aus den Fluten auftauchen und verschwinden sehen. Mit jedem Schritt mussten die Menschen sich mehr überwinden, sich dem Wasser zu nähern. Und dann schließlich war es so weit. Eleanor stand nur noch wenige Handbreit vom Ufer entfernt, als die Wassermassen sich zurückzogen.
    Wie zuvor lief ihr auch dieses Mal ein eiskalter Schauer den Rücken hinunter, doch sie ging tapfer voran, betrat Schritt für Schritt das Flussbett, während der Strom vor ihr zurückwich. Das Gluckern und Rauschen des Flusses schwoll mit jedem Meter an, den sie sich weiter in seine Mitte wagte. Nun klang er fast zornig, während Abertausende von zischenden und brausenden Stimmen von allen Seiten auf sie eindrangen. Die Stimmen befahlen ihr umzukehren und diesen Ort zu verlassen. Sie fielen über sie her, drängten sie, verfluchten sie und konnten doch nichts ausrichten. Unablässig wisperten sie in Eleanors Ohren, während ihr Kopf sie in Worte zu fassen versuchte, die für niemanden sonst bestimmt waren.
    Ihre Begleiter hingegen nahmen diese Flussüberquerung vollkommen anders war. Auch sie hatten Angst vor diesem Gewässer. Viele von ihnen fragten sich, ob der Fluss nicht doch über sie herfallen würde. Ob er sie nicht in falsche, trügerische Sicherheit wiegen wollte und dann, wenn sie genau in seiner Mitte angekommen wären, mit

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