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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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nickten und sahen Eleanor erwartungsvoll an, doch sie selbst blickte allein Toby an. Dieser hatte sich mittlerweile erhoben und seinem Gesichtsausdruck nach war es mehr als offensichtlich, dass er Kathryn die bösen Worte mit gleicher Münze hatte heimzahlen wollen. Jetzt aber zögerte er.
    „Wie sollen wir sie hier wegbekommen?“, fragte er aufgewühlt und uneins mit sich selbst. „Sie ist doch nicht sie selbst!“
    Eleanor zögerte. Toby wirkte in diesem Augenblick selbst wie jemand, den ein einziges falsches Wort zu ungeheuren Taten verleiten konnte. Doch es war William, der an ihrer statt antwortete.
    „Packt sie! Vier Mann!“, rief er und zeigte auf Kathryn.
    Eleanor sah ihn fassungslos an. Nie hätte sie dem sanften, stets zurückhaltenden Will so einen Befehl zugetraut. Umso erstaunter war sie, dass sich tatsächlich vier Männer aus der Menge lösten und sich auf Kathryn stürzten. Einer von ihnen war Toby selbst und ehe sie es sich versahen, hatten die Vier die schreiende und wild um sich schlagende Kathryn hochgehoben und hielten sie nun.
    Eleanor brauchte einen Moment um sich zu fassen. Dann rief sie: „Mir nach!“ und setzte sich wieder in Bewegung.
    Sofort nahm das knisternde Surren in ihren Ohren wieder zu und ein jeder spürte, wie ihn dieses Geräusch aggressiv und streitlustig machte. Eleanor blickte im Lauf zurück und sah, wie Kathryn sich gegen ihren erzwungenen Transport wehrte, um sich schlug und nach Kräften gegen ihre Träger trat. Diese wurden dadurch so angestachelt, dass sie ebenfalls voll Zorn zurückknufften, ihre Ellenbogen gegen Kathryn einsetzten und sie anschrien.
    „Das geht nicht gut“, dachte Eleanor verzweifelt. „So kommen wir nicht weit.“
    Und tatsächlich – sie hatten erst wenige hundert Meter zurückgelegt, als einer von Kathryns Trägern nach einem Tritt von ihr stolperte und der Länge nach hinfiel. Aus dem Gleichgewicht gebracht stolperten nun auch die anderen drei und ließen Kathryn los, die auf dem Geröll des Weges aufschlug und schrill aufschrie. Ehe sie es sich versahen war eine wüste Schlägerei im Gange, an der sich nun auch andere Mitglieder der Gruppe beteiligten. Eleanor blieb stehen und sah fassungslos zurück. Ihr standen Tränen in den Augen.
    „Milady, wir dürfen hier nicht bleiben“, sagte Will traurig an ihrer Seite. „Die Gemeinschaft ist nicht mehr zu retten…“
    „Willst du mir sagen, dass ich all diese Menschen zurücklassen soll?“, weinte Eleanor, indem sie auf das Chaos hinter sich zeigte. Mittlerweile beteiligten sich auch alle anderen an der Schlägerei, nur sie selbst und William standen abseits und sahen entsetzt zu.
    „Ich fürchte es. Wie sollten wir sie aus dieser Stimmung befreien? Dazu müssten wir sie hier raus schaffen und ich wüsste nicht, wie uns das gelingen sollte. Außerdem gehen wir an keinen Ort, an dem es besser wäre als hier. Sie sind am fünften Kreis gescheitert. Den vierten werden sie noch viel weniger ertragen können.“
    Eleanor schüttelte unter Tränen den Kopf.
    „Nein, so darf es nicht enden“, wimmerte sie.
    Dann trat sie einen Schritt vor und atmete tief durch.
    „Hört mir zu!“, rief sie so laut sie konnte. Zunächst glaubte sie, dass keiner sie gehört haben konnte. Doch nach und nach erstarb der Kampfeslärm und endlich sahen alle Eleanor an. Sie war beinahe überrascht, dass es so einfach gewesen sein sollte, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.
    „Ihr müsst dagegen ankämpfen“, rief sie beschwörend. „Es ist dieser Höllenkreis, der euch aggressiv macht. Ihr könnt dagegen angehen, wenn ihr euch nur darauf konzentriert…“
    Ein markerschütterndes Kreischen durchbrach die Stille, die ihren Worten gefolgt war. Sie spürte, wie sie von einer gewaltigen Kraft zurückgerissen und unter einen niedrigen Felsvorsprung am Wegesrand geschleudert wurde. Dann war William an ihrer Seite und warf sich neben ihr zu Boden. Erneut erklang das schrille Kreischen und plötzlich flogen mehrere gewaltige Schatten über sie hinweg.
    „Incurrite!“, dröhnte die kratzende Stimme eines Akoloythos ganz in ihrer Nähe und plötzlich war der schmale Weg zwischen den felsigen Hügeln ausgefüllt von dutzenden Gestalten, die hinter und vor der kleinen Menschengruppe den Weg entlanggelaufen kamen, während die riesigen Schwingen zahlloser Engel den Staub der Landschaft aufwirbelten und alles in finsteres Zwielicht tauchten. Es dauerte eine ganze Weile, bis sich wieder so weit Ruhe eingestellt

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