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Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: Die zehn Kreise (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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hatte, dass die Lage überschaubar wurde. Noch immer krächzten und schrien die Akoloythoi, die wie eine Meute wilder Hunde vor den Menschen zu stehen gekommen waren und nun auf ein einziges Wort ihrer Herren warteten, um die Sünder wieder ihren gerechten Strafen zuzuführen.
    Eine Weile schien nichts weiter zu geschehen und Eleanor fragte sich in ihrem Versteck bereits, ob sie selbst irgendwie etwas tun sollte. Dann jedoch schälte sich aus der Menge der gefallenen Engel eine Gestalt, die langsam auf die Menschen zuging. Sie erreichte den Ring der Akoloythoi, die noch immer wild und ungezähmt um ihre Beute herumliefen, während die Menschen selbst einen engen Kreis gebildet hatten, die Frauen in ihrer Mitte, und das Geschehen um sich mit angstgeweiteten Augen und am ganzen Leibe zitternd verfolgten.
    Die Akoloythoi verstummten und zogen winselnd die Köpfe ein, während der riesige Engel in ihre Mitte trat. Sofort wurde es vollkommen still und allein das Pfeifen eines unsichtbaren Windes zwischen den Felsen war noch zu hören.
    „Wer von euch ist Eleanor?“, fragte der Engel.
    Niemand wagte zu antworten. Die Menschen sahen sich untereinander an und Eleanor glaubte erkennen zu können, dass einige erleichtert aufatmeten, als sie Eleanor nicht unter sich entdecken konnten.
    „Wer von euch ist Eleanor?“, wiederholte der Engel seine Frage.
    „Warum willst du das wissen?“, erklang Roberts Stimme.
    Der Engel legte den Kopf schief und sah ihn belustigt an.
    „Ich habe mit ihr zu reden, Menschlein!“
    „Und was hättest du ihr zu sagen?“ Robert klang nun bockig und herausfordernd. Ein leises Lachen klang zu Eleanor hinüber, als der Engel zu einer Antwort ansetzte.
    „Ich hätte ihr zu sagen, dass sie hier nichts zu suchen hat, Menschlein. Die Hölle ist nicht der Ort, an dem sie sein sollte.“
    „Und du würdest ihr hier hinaushelfen?“, stieß Robert mutig hervor.
    Mit einem einzigen Schritt war der Engel unter den Menschen und riss Robert an seinem Wams hoch.
    „Worauf du dich verlassen könntest, unwürdige Kreatur!“, fauchte er. „Sie gehört nicht in die Hölle und dennoch ist sie hier! Warum? Was hat sie hier vor? Warum sammelt sie Seelen um sich und führt sie bis hierher? Warum ist sie immun gegen das Böse an diesem Ort und vor allem – wo will sie hin?“
    Eleanor hielt die Luft an, während sie Robert dort vor dem Engel in der Luft zappeln sah. Sie wollte die Augen schließen und nicht länger hinsehen müssen, doch eine innere Stimme zwang sie, den Blick nicht abzuwenden. Voller Qual blickte sie auf das Geschehen vor ihrem Versteck und plötzlich geschah etwas. Während Robert sich eben noch gegen den Engel gewehrt hatte, wurde er mit einem Mal vollkommen ruhig. Wie eine leblose Lumpenpuppe hing er da und sah den Engel an. Und dann hörte Eleanor ganz leise Roberts Antwort, bei der ihr das Blut in den Adern gefror.
    „Ich bete zu Gott, dass du niemals aus dieser Hölle entkommst, Abschaum!“
    Dann spuckte er dem Engel mitten ins Gesicht.
     
    Das Brüllen des Engels war so gewaltig, dass Steine barsten und Gerölllawinen sich aus den umliegenden Hügeln lösten. Von einem Augenblick auf den anderen konnte Eleanor aus ihrem Versteck heraus nichts mehr erkennen, denn der Hohlweg war urplötzlich von Staub erfüllt, während im flackernden grünen Licht zahllose Leiber und Gliedmaßen scheinbar unkontrolliert zuckten, auftauchten und wieder verschwanden. Blitze flackerten wild auf, aufgebrachte Stimmen schrien durcheinander, das sandpapierartige Krächzen der Akoloythoi war ebenso zu hören, wie das Schreien von Menschen und das animalische Brüllen der Engel.
    William neben ihr krallte sich panisch an den umliegenden Felsen fest, den Blick starr auf das Grauen vor ihrem Felsspalt gerichtet, während seine Knöchel weiß in der Dunkelheit hervortraten. Was immer dort draußen geschah, es schien eine Ewigkeit zu dauern. Eine Ewigkeit der Angst und der blanken Furcht davor entdeckt zu werden.
    Als sich die Lage vor Eleanors und Williams Versteck endlich beruhigte, glaubten sie ihren Augen nicht trauen zu können. Der Staub legte sich nur langsam und gab den Blick auf eine unerwartete und außergewöhnliche Szenerie frei. Mehr als die Hälfte der Akoloythoi lag tot am Boden, der Rest kauerte verängstigt möglichst weit von jenem Engel entfernt am Boden, der eben noch mit Robert gesprochen hatte. Dieser aber wurde von rund einem Dutzend Engel mühsam zu Boden gehalten. Von den Menschen war

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