Die Zehnte Gabe: Roman
Anliegen unserer Gefangenen öffentlich zu machen und zu hoffen, dass sich damit ein gewisser Druck ausüben lässt. Dass deswegen Gelder fließen werden, halte ich für unwahrscheinlich - die Schatzkammer ist geizig, und der Krieg gegen Spanien wird eine Unsumme verschlingen. Ich habe die Krone in den vergangenen Jahren bereits mehrmals gebeten, uns bei der Verstärkung unserer Verteidigungsanlagen zu unterstützen, wurde jedoch immer wieder abgewiesen. Vielleicht kann unser Schirmherr, der Earl of Salisbury helfen, allerdings steht er trotz seines Erbes und seiner Bildung nicht in dem Ruf, ein ernsthafter Mensch zu sein. Möglicherweise kennt Henry Marten einen Weg zum König - ihn hält man für den einflussreichsten unserer hiesigen Bürger.«
»Und Sir John Killigrew?«, fragte Robert.
Sir Arthur hob die Brauen. »Warum in aller Welt sollte Killigrew sich um diese Angelegenheit kümmern? Penzance bedeutet ihm nichts. Du kannst es natürlich bei ihm versuchen, aber ich habe nie gehört, dass dieser Mann Kosten oder Mühe zugunsten von anderen als sich selbst aufbringt.«
»Ich reite noch heute Abend hinüber nach Arwenack.«
Sein Herr schnaubte verächtlich. »Der Herr von Pendennis ist nicht zuhause. Er kundschaftet irgendein neues Geschäftsunternehmen mit der Türkischen Gesellschaft oder so ähnlich
aus. Als ich ihn letzte Woche traf, versuchte er, mich zum Mitmachen zu überreden, als hätte ich Geld übrig, das ich in eine seiner verrückten Ideen stecken könnte!«
Erkundigungen wurden eingezogen und bestätigten, dass das Parlament zwar nicht zusammengetreten war, Sir Henry Marten sich dennoch in London aufhielt, wo diesen Sommer die Pest besonders hart zugeschlagen und mehrere Angehörige seiner Frau dahingerafft hatte, sodass ihr Hausstand sich in größter Unordnung befand. Es wurde beschlossen, dass Rob ohne weiteren Aufschub nach London reisen solle, um Empfehlungsschreiben und Bittschriften, die von Verwandten, Freunden und Nachbarn der Gefangenen unterschrieben waren, zu überbringen. Eine Stunde später brach er mit drei Pferden im Schlepptau auf und hatte eins bereits zu Schanden geritten, noch bevor er Gunnislake erreichte.
London war ein ungesundes Pflaster. Für Rob war Bodmin am Markttag bereits unerträglich, mit seinen durcheinanderbrüllenden Händlern, ratternden Karren und der Kakophonie sowohl zwei- als auch vierbeiniger Kreaturen, doch London war unvorstellbar schlimmer. Er war auf die unermessliche Größe, die unzähligen Spektakel und den Gestank so unvorbereitet, dass er sich auf der Stelle umgedreht und die mehr als dreihundert Meilen nach Cornwall ohne einen Blick zurück zu Fuß nach Hause gerannt wäre, hätte seine Mission nicht diese Bedeutung gehabt. Der Besitzer des ersten Gasthofs, an dem er angehalten hatte, hatte ihn von oben bis unten gemustert und ihn dann wieder weggeschickt. Er hatte den ganzen Weg von Cornwall in Scheunen oder unter Hecken geschlafen, um jeden Penny zu sparen, den Sir Arthur ihm für die Reise gegeben hatte. Die Pferde waren in keinem besseren Zustand. Die Angst vor der Pest war noch immer groß, und Fremde waren nicht wohlgelitten. Im nächsten Gasthof waren Lärm und Gestank so stark, dass er nach dem ersten Schritt über die Schwelle kehrtgemacht
und das Weite gesucht hatte. Beim dritten Versuch erkannte der Wirt an seinem Akzent, dass er ein »ehrlicher Mann« war und ließ ihn eine Nacht im Stall schlafen. Eine der Mägde hatte Mitleid mit ihm, wegen seiner blauen Augen, wie sie sagte, sodass er rot anlief, und nahm seine Hose und das Hemd mit zum Waschen. Als sie dann unter seine Decke schlüpfte, während er schlief, fuhr er mit einem Schrei auf, doch sie legte ihm rasch die Hand auf den Mund. »Hier gibt es keine Cat«, sagte sie irritiert. »Und jetzt hör auf mit dem Geschrei und küss mich.«
Er brach noch vor dem Morgengrauen auf, eilig und nur halb angekleidet. Obwohl all seine Kleider frisch gewaschen waren, fühlte er sich schmutziger als je zuvor.
Wenn er nach der Adresse der Wohnung fragte, die er suchte, lachten die meisten Leute ihn aus. »Da hält dich einer zum Narren, mein Freund«, erklärte ein Mann. »Solche Leute machen einem Kerl wie dir nicht mal die Tür auf.« Aber als Rob ihm den Brief unter die Nase hielt, den er bei sich hatte, zeigte er mehr Respekt und erklärte ihm endlich, welche Richtung er einschlagen musste. »Geh lieber noch einmal zum Barbier, bevor du bei einem Lord vorsprichst«, riet ihm die
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