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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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blasser wirkte, und riesigen dunklen Augen, die von kleinen Ringellocken umrahmt waren. Sie trug ein Gewand aus üppiger blassrosa Seide, dessen viereckiges Dekolletee so tief ausgeschnitten war, dass man trotz der Fülle der exquisiten flämischen Spitze die seidige weiße Haut der Brust darunter schimmern sah. Rob gab sich
Mühe, nicht dorthin zu starren. Stattdessen richtete er den Blick auf den großen Diamanten, der an einem Band aus schwarzem Satin um ihren Hals hing, und auf den reich verzierten Fächer aus Elfenbein in ihrer rechten Hand. Wie alt sie war, hätte er nicht zu sagen vermocht.
    Nach einer Pause, in der sie eintrat und ihre Wirkung auf den Besucher beobachtete, ging sie auf ihn zu und streckte ihm eine weiße Hand mit vielen Ringen an langen Fingern entgegen. »Ich bin die Countess of Salisbury. Und was für einen hübschen jungen Mann haben wir hier?«
    Rob erinnerte sich wieder an seine Manieren und verbeugte sich so hastig, dass ein besonders großer Rubin ihm beinahe das Auge ausgestochen hätte. »Robert Bolitho, Mylady, von Kenegie Manor in Cornwall. Ich überbringe einen Brief von meinem Herrn, Sir Arthur Harris, an den Earl of Salisbury.«
    Catherine Howard lächelte zuckersüß. »Mein Mann ist anderweitig beschäftigt. Darf ich den Brief vielleicht an seiner Stelle sehen? Andrew sagte, dass es um die Piraten aus den Barbareskenstaaten geht. Wie faszinierend, wie romantisch!«
    »Es ist keine sehr romantische Geschichte, Madam, und wird kaum zur Unterhaltung einer Dame beitragen, wie Ihr es seid«, sagte Rob und lächelte ebenfalls. Es war Pech, dass der Earl nicht zu sprechen war, doch von seiner Frau empfangen zu werden, war das größte Glück, das er sich für sein privates Anliegen wünschen konnte. »Trotzdem wäre ich sehr dankbar, wenn Ihr meiner Geschichte Gehör schenktet, denn sie betrifft jemanden, den Ihr kennt.« Hastig setzte er hinzu: »Besser gesagt, dessen Arbeit Ihr kennt.«
    Die Gräfin reckte den Kopf wie ein Spatz und sah ihn an. »Wirklich? Nun, dann wollen wir eine Tasse Kaffee in meinen Gemächern trinken, und du erzählst mir alles.«
     
    »Sechzig Menschen bei einem einzigen Angriff?« Lady Cecil kam aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. »Wie gewagt!« Sie
beugte sich vor. »Und sag, hast du einen Blick auf diese kühnen Piraten werfen können? Hatten sie grausame Gesichter und türkische Gewänder? Ich stelle sie mir immer mit funkelnden Augen und spitzen Bärten vor, so wie Saladin. Sie schwenken ihre blitzenden Schwerter und rufen den Namen ihres Gottes.«
    »Ich habe sie nicht gesehen, Ma’am. Ich war mit der Harris-Familie in der Kirche von Gulval.«
    Sie war enttäuscht. »Ah, quel dommage . Aber was werden sie nun mit den Gefangenen anstellen? Werden sie sie als Sklaven an den Großtürken verkaufen, was glaubst du? Er soll ja ein Unhold sein, einen Harem mit zehntausend Frauen unterhalten und seinen Palast mit Gold gepflastert haben. Ah, Konstantinopel, ich würde so gern einmal Konstantinopel besuchen, die Kuppeln und Minarette sehen, durch die Santa Sophia gehen und die uralte Luft von Byzanz atmen - obwohl ich glaube, Frauen ist der Zutritt verboten, vielleicht sogar Christen allgemein. Ich müsste mich als muselmanischer Pilger verkleiden.« Sie faltete die Hände. »Ich würde meine Haut mit Walnuss färben, mir einen Bart ankleben und mich in lange Gewänder hüllen, mit einem Dolch im Gürtel und Pantoffeln aus gefärbtem Leder, so wie der Scheich, der im Frühjahr als Gesandter ihres Sultans zu Gast beim König war!« Bei dieser Vorstellung klatschte sie entzückt in die Hände. »Er brachte Löwen und Tiger für die Königliche Menagerie mit, weißt du. Eine hübsche Geste, fand ich. Doch er sah nicht gerade aus wie ein Pirat. Tatsächlich war er sogar ein wenig füllig …«
    »Ich bitte um Vergebung, wenn ich Euch unterbreche, Lady Cecil …«
    Die Gräfin war eine solch unverblümte Sprache nicht gewöhnt. Sie riss verwundert den Mund auf und fächelte sich dann hastig Luft zu.
    Rob griff in seine Jackentasche und nahm ein in Papier eingeschlagenes Päckchen heraus, das er mit unendlicher Behutsamkeit auspackte. »Ich möchte Euch etwas zeigen.«

    »Großer Gott!« Die Gräfin strich mit den Händen über den Stoff, den Rob ausgebreitet hatte. »Das ist eine wundervolle Arbeit.«
    Es war ein Geistesblitz in letzter Sekunde gewesen, der Rob dazu veranlasst hatte, schnell noch einmal zu Cats Zimmer hochzurennen, bevor er Kenegie verließ.

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