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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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Salé, also noch bevor sie ihren unabhängigen Diwan ausgerufen hatten. Die Tatsache, dass es ihre eigene Handschrift zu sein scheint, macht es zu einem einmaligen Dokument. Sidi al-Ayyachi ist eine recht ausführlich dokumentierte Gestalt; ich bin im Verlauf meiner eigenen Recherche mehrmals auf Verweise gestoßen, die sich auf einen seiner Kapitänleutnants namens Qasem bin Hamed bin Moussa Dib beziehen. Ihn hier wiederzutreffen, ist daher ziemlich faszinierend.«
    »Wen?«, fragte ich stirnrunzelnd.
    »Qasem bin Hamed bin Moussa Dib, in den Legenden taucht er als ›der Djinn‹ oder ›der Schakal‹ auf - ›dib‹ heißt im Arabischen Fuchs oder Schakal -, gelegentlich auch als ›der Mann aus Andalusien‹. Offenbar gehörte er zu den Hornacheros, war also ein andalusischer Maure, der von Philipp III. aus Spanien vertrieben worden war. Der Legende nach ist seine Familie der Inquisition zum Opfer gefallen, und er kehrte nach Rabat zurück. Seine Piratenausbildung machte er unter der Anleitung des berüchtigten Holländers Jan Jansz, alias Murad Raïs, als er Admiral der Flotte von Salé war. Anschließend wurde er zum raïs gewählt - einem Flottenkapitän - und kämpfte als al-ghuzat , heiliger Krieger im Kampf gegen die Feinde des Propheten. Ihr Buch erzählt uns Dinge über ihn, die keiner wusste: beispielsweise, dass er dem berüchtigten englischen Piraten John Ward näherstand als Jan Janz, dass er die Flotte 1625 bis an die englische Küste geführt hatte und dass er kultivierter und komplexer war, als die Legenden über ihn vermuten lassen.«
    »Sie sprechen mit weit mehr Respekt von ihm, als es meiner Meinung nach einem Piratenanführer angemessen wäre.«
    Khaled lächelte. »Dasselbe könnte ich auch über Ihren Robin Hood sagen, Francis Drake oder ganz sicher Richard Löwenherz. Der Held der einen Kultur ist der Schurke einer anderen - alles hängt davon ab, auf welcher Seite man steht. Die
Geschichte ist biegsam und wird gewöhnlich von den Siegern geschrieben.«
    »Ich habe schon immer Saladin vorgezogen«, sagte ich leise.
    »Noch ein großer al-ghuzat - und im Unterschied zu Ihrem Richard ein barmherziger Sieger.«
    »Und die Sache mit der Stickerei - kann es wirklich sein, dass Catherine den marokkanischen Frauen ihre Fertigkeiten beigebracht hat?«
    Khaled breitete die Arme aus. »Auf diesem Gebiet bin ich kein Experte, fürchte ich.« Er beugte sich vor. »Aber es endet sehr unvermittelt, dieses Tagebuch. Wissen Sie, wie es mit Catherine Tregenna weiterging?«
    »Die Geschichte hatte noch eine Fortsetzung.« Ich zeigte ihm die Fotokopien, die Michael im riad für mich hinterlegt hatte.
    Er las die beiden Blätter, drehte sie dann um und suchte die Fortsetzung. »Aber wo ist der Rest? Sie können mich doch nicht so auf die Folter spannen. Der junge Mann folgte ihr hierher - hat er sie befreien können? Ist sie mit ihm nach Hause zurückgekehrt?«
    »Das weiß ich nicht«, räumte ich ein.
    »Aber das müssen wir herausfinden. Ich würde sehr gern den Bericht dieses« - er überflog erneut die erste Seite - »dieses Robert Bolitho lesen.«
    »Ein Freund hat die Briefe«, sagte ich verlegen.
    »Nun, dann ist es doch ganz einfach. Ausgezeichnet. Ich freue mich sehr darauf, sie eines Tages zu lesen. Doch unterdessen sagen Sie mir eins, Julia: Was werden Sie mit Ihrem Buch machen?«
    Ich zögerte. »Das weiß ich nicht genau. Was sollte ich denn Ihrer Meinung nach tun?«
    Die Augen des Professors strahlten. »Es ist ein großartiger Schatz, der einen einzigartigen Einblick in die Geschichte meines Landes bietet. Es wäre eine Tragödie, wenn er verloren
ginge. Ich würde gern weiter darüber recherchieren oder einen Aufsatz schreiben … vielleicht sogar ein eigenes Buch.«
    Zumindest war er aufrichtig. »Vorerst können Sie eine Fotokopie haben«, sagte ich vorsichtig. »Bis ich entschieden habe, was ich damit machen will.«
    Er strahlte mich an. »Das wäre wundervoll.«
    Wir fanden einen Kopierladen um die Ecke des Justizgebäudes. Ich ging hinaus und setzte mich in der Spätnachmittagssonne auf das Pflaster, während Khaled mit der unendlichen Behutsamkeit eines Mannes, der an den Umgang mit alten Büchern gewöhnt ist, Kopien machte. Idriss kam auch heraus, lehnte sich an die Tür und rauchte nervös eine Zigarette. Einmal warf er mir einen Blick zu, als wollte er etwas sagen, kehrte dann jedoch ohne ein Wort ins Innere des Ladens zurück.
    Am Ende gab mir Khaled Catherines Buch zurück, und

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