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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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Lampen mit Schirmen aus Ziegenleder vorbei, bis wir die Medina an der Seite einer großen Straße mit dröhnendem Autoverkehr verlassen hatten.
    »Was haben Sie denn?«
    Ich muss ausgesehen haben, als wäre ich einer Ohnmacht nahe, denn er nahm mich am Ellbogen und führte mich die Straße entlang und durch eine offene Tür in die Rezeptionshalle eines winzigen Hotels. Kein Mensch war zu sehen. Idriss ging zu einer Tür im hinteren Teil, öffnete sie und rief einen Namen. Sekunden später tauchte ein Mann in Jeans und einem T-Shirt von Manchester United auf. Die beiden umarmten sich.
    »Das ist einer meiner anderen Brüder, Sadiq.« Idriss grinste. »Und das ist Julia Lovat. Sie braucht einen Tee mit viel Zucker. Sieh mal zu, was sich machen lässt.«
    Sadiq sah mich ehrfürchtig an, sagte dann etwas Unverständliches zu Idriss und verschwand.
    »Er sagt, Sie hätten Augen wie Lady Diana«, erklärte mir Idriss und bugsierte mich um die Ecke zu einem dämmrigen Bereich mit Sofas und niedrigen Tischen.
    Ich schnaubte verächtlich. »Lächerlich. Er meint doch nur, dass sie blau sind.«
    Er betrachtete mich eine Sekunde lang ganz ernst. »Nein«, sagte er. »Es liegt an Ihrer englischen Ausstrahlung. Sie ist sehr … exotisch.«
    Exotisch . So fand ich ihn. Die Vorstellung, dass es auch umgekehrt
gelten könnte, war verwirrend. »Was für eine schamlose Schmeichelei«, sagte ich und drohte ihm mit dem Zeigefinger. »Sie sollten zusammen mit dem alten Scharlatan im Basar Schlangenöl und Walfischscheiße verkaufen.«
    Seine Augen funkelten. »Mein zweites Eisen im Feuer.«
    Sadiq kam mit einem Tablett voller Teezubehör und ging wieder. Ich sah, wie Idriss die goldene Flüssigkeit aus übertrieben großer Höhe einschenkte, sodass sie wie ein Miniaturwasserfall ins Glas plätscherte, und trank, ohne mich über die ungeheure Menge Zucker zu beklagen, den sie enthielt.
    »Jetzt erzählen Sie, warum Sie weggelaufen sind.« Vermutlich sah ich genauso elend aus, wie ich mich fühlte, denn er zögerte und kniff die Augen zusammen. »Oh, ich bin ein Esel. Natürlich - Sie haben Michael gesehen.«
    Ich senkte den Kopf. »Ja.«
    Er runzelte die Stirn. »Aber ich habe immer Ausschau nach ihm gehalten. Ich kann gar nicht glauben, dass ich ihn verpasst haben soll.«
    »Er war in einem der Teppichläden.«
    »Da waren zwei, ein Paar … die Frau dunkel, klein, sehr schick.«
    »Das war Anna. Seine Frau.« Ich beobachtete, wie meine locker im Schoß liegenden Hände anfingen zu zittern, und schrieb es der Wirkung des Tees zu.
    Idriss streckte den Arm über den Tisch und hob mein Kinn. »Julia, es ist besser, wenn Sie mir Ihre Geschichte erzählen - von Anfang bis Ende. Ich habe das Gefühl, dass es um viel mehr geht als nur ein antiquarisches Buch.«
    Ich starrte unverwandt auf den Tisch, während alles aus mir heraussprudelte: meine Freundschaft mit Anna, meine heimliche Beziehung mit ihrem Mann, die Angst davor, entdeckt zu werden, die Angst, dass er mich verlassen würde, die Art, wie er die letzten sieben Jahre meines Lebens geprägt hatte - eine lange Liste von Betrug und moralischer Feigheit. Nicht ein einziges
Mal hob ich den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen. Ich brachte es nicht fertig. Und als wäre das alles nicht genug, ging mir plötzlich auf, wie ungeheuer wichtig es für mich war, was Idriss von mir dachte. Wie und wann war das passiert? Und auf diese erste Erkenntnis folgte unmittelbar die entsetzliche Gewissheit, dass er mich jetzt, da ich ihm alles erzählt hatte, verachten würde.
    Als ich endlich mit meiner Beichte fertig war, breitete sich ein Schweigen zwischen uns aus, so dick wie eine Glaswand. Nach ein paar Sekunden, die mir endlos erschienen, riskierte ich einen Blick über den Tisch, doch er sah mich gar nicht an. Sein Blick, kühl und distanziert, hing an einer getönten Glasscheibe hinter mir, als wünschte er sich hinaus in die heiße, frische Seeluft draußen, statt hier in diesem stickigen Raum zu sitzen, mit einer Frau, die alle Menschen betrogen hatte, die wichtig in ihrem Leben waren, und dabei alles verloren hatte, einschließlich ihrer Selbstachtung. Was musste er von mir denken, dieser Mann, dessen Leben so schlicht und geradlinig war, der seine egoistischen Wünsche - Dinge, die jeder Mann in meinem Land für sein Grundrecht hält: eine Karriere, ein Gehalt, über das er nach Belieben verfügen kann, eine Frau und Kinder - der auf all diese Dinge verzichtete, um seine verwitwete Mutter und die

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