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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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Gemüse wieder einmal kunterbunt durcheinander in die Tajine warf. Hasna zeigte ihr, wie man sein eigenes Khol aus einem Stein machte, den sie zusammen im Souk gekauft hatten und der so metallisch blau glänzte wie ein in der Luft aufblitzender Elsternschwanz. Sie zermahlten ihn zu einem Pulver und machten daraus eine Paste. Sie zeigte ihr auch, wie man den hübschen Behälter mit dem feinen, am Stopfen befestigten Silberstäbchen damit füllte und es auftrug, ohne dass die Augen anfingen zu tränen und einem schwarze Rinnsale über die Wangen liefen.
    Je besser ihre Sprachkenntnisse wurden, umso mehr lernte sie über ihre Umgebung. Der Mann, den die Frauen Sidi Qasem bin Hamed bin Moussa Dib nannten, war tatsächlich derjenige, den sie als Al-Andalusi kannte, der Kapitän des Piratenschiffs, doch die Frauen schienen ihn nicht zu fürchten, sondern empfanden Respekt und sogar Zuneigung für ihn. Er sei ein großer Wohltäter, ein Händler und ein rechtschaffener Mann, sagten sie. Dass er mit Sklaven aus fernen Ländern handelte, darunter auch Cat, hielten sie für völlig normal, so als verkaufte er Pferde oder preisgekrönte Kamele, und nach einer Weile merkte Cat, dass sich ihre eigenen Ansichten änderten. Sie fühlte sich nicht mehr wie eine Sklavin oder eine ganz gewöhnliche Dienstmagd, denn ihr Herr war nur selten anwesend, und die wenigen Pflichten,
die sie, abgesehen von der Aufsicht über die Stickerinnen, hatte, waren nicht beschwerlich. Außerdem hatte sie hier mehr Zeit für sich als in Cornwall. Sie entdeckte zu ihrer Überraschung, dass es keine Last, sondern eine Freude war, in Ruhe den Innenhof zu fegen oder sich um die Pflanzen zu kümmern, obgleich niemand es ihr aufgetragen hatte. In ihrem Innern gab es einen stillen, friedlichen Mittelpunkt, den sie dort niemals vermutet hatte.
     
    Eines Tages, als Catherine fast sieben Monate im Haus ihres neuen Herrn lebte, erschien der raïs unangemeldet und fand sie mit geschlossenen Augen im Innenhof sitzend, das Gesicht dem Himmel zugewandt, den Besen zu ihren Füßen.
    »Du siehst aus wie eine Rose«, sagte er leise, »ihre Blütenblätter trinken die Sonne.«
    Erschrocken schlug sie die Augen auf. Als sie aufsprang, stieß ihr Fuß gegen den Besen, sodass sie beinahe gestürzt wäre. Der Korsar fing sie geistesgegenwärtig auf und setzte sie wieder hin. »Danke, Sidi Qasem«, murmelte sie verlegen.
    »Qasem reicht.«
    »Qasem.« Es kam ihr komisch vor, ihn so zu nennen. Sie hatte auch Sir Arthur nie einfach nur Arthur genannt, allein die Vorstellung war absurd.
    »Warum lächelst du?«
    »Ich dachte an meinen letzten Herrn.«
    »War er wie ich?«
    Bei dieser Frage musste sie noch mehr lächeln. Sir Arthur mit seinem Backenbart, gelassen und englisch bis ins Mark - es war schwierig, sich zwei unterschiedlichere Männer vorzustellen. »Nicht besonders.«
    Offenbar war er nicht ganz sicher, wie er dieses Urteil verstehen sollte, denn er wechselte das Thema. »Gefällt dir mein Innenhof?«
    »Er ist sehr schön und sehr … traut.«
    »Das Wort kenne ich nicht … traut?«

    »Still, friedlich - ein Platz, an dem man gut sitzen und nachdenken kann.«
    Jetzt veränderte sich sein Gesicht, die starren Züge lösten sich, die Furchen auf der Stirn verschwanden. »Ein chahar bagh «, erklärte er, »ein geschlossener Garten wie der himmlische Garten, das ewige Paradies. Menschliches Leben begann in dem Garten, und wir kehren zurück zu ihm, wenn wir sterben. Das stellt unsere Reise dar«, damit deutete er auf die Kanäle, die von dem Brunnen in der Mitte des Hofes abgingen, »denn wie Wasser sind wir immer in Bewegung, suchen Glück, Wissen und Glauben. Im Koran ist die Rede von vier Flüssen im Garten Eden: Sie führen Wasser, Milch, Honig und Wein. Aber wie du siehst, hier in meinem kleinen irdischen Paradies, verborgen vom Rest der Welt, muss ich mich mit Wasser begnügen. Ich sitze hier, ich bin zufrieden.«
    Er streckte den Arm aus und brach eine Rose von dem Busch, der am Spalier des Bogengangs wuchs. »Was für eine Vollkommenheit! Gott ist Schönheit, und er liebt die Schönheit. Vielleicht ist heute genau der Tag, für den Gott diese Blüte bestimmt hat. Sie ist frei von Ungeziefer oder Rost, und sie hat noch nicht angefangen zu welken. Ihr Geruch ist Duft des Himmels. Aber morgen stirbt sie. Besser, ich pflücke sie heute und streue die Blätter in den Brunnen, der Quell ist für ihr Leben, damit man sich an ihre vollkommenste Form erinnert.«
    Er

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