Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
Vom Netzwerk:
hielt die Rose einen Augenblick an Cats Wange, sodass sie ihren Duft roch und spürte, wie die samtweiche Blüte ihre Haut streifte. Er selbst hatte sie nicht berührt, und doch zuckte etwas Lebendiges und Elektrisches durch ihre Nerven, als hätte ein Blitz sie beide für einen kurzen Moment verbunden, und sie schnappte nach Luft. Dann zerknüllte der raïs die Blüte in seiner Hand, bis ihr Duft die Luft erfüllte und trat zum Brunnen, um die Blätter ins Becken zu streuen.
    Cat schloss die Augen. Als sie sie wieder aufschlug, war er verschwunden.

    Immer wenn sie danach im Hof spazieren ging, spürte sie seinen Schatten dort, als beobachtete er sie aus einem Versteck hinter einer der Säulen des Bogengangs oder der Dunkelheit des Pavillons. Manchmal glaubte sie, eine Bewegung auf einer der Emporen zu sehen, doch nie war jemand da, wenn sie hinauflief, um nachzusehen, nur die kleinen Türkenammern, die im Jasmin zwitscherten und deren Federn sich rötlich von den weißen Blüten abhoben.
    Die Frauen arbeiteten hart unter ihrer Anleitung, entzückt von ihrem wachsenden Geschick. Wenn Cat bei ihnen war und sie in ihren Mustern und Sticktechniken beriet, dachte sie an nichts anderes: Ihr Bewusstsein war nur mit Schlichtheit und Genauigkeit beschäftigt, sie zählte die Stiche und achtete auf die Ausgewogenheit der Farben. Zu viele, und die Arbeit war verdorben, zu wenige, und sie erinnerte allzu sehr an die eintönige Stickerei aus Fez oder den altmodischen Kreuzstich, mit dem sie in England so vertraut gewesen war. Jetzt trugen die Frauen an den vielen Feiertagen, die in diesem Land gefeiert wurden, immer etwas, was sie für sich selbst gemacht hatten - einen geflochtenen Gürtel, einen bestickten Schleier, Kopftücher oder hübsch verzierte Kaftane. Die Kunde verbreitete sich, und bald klopften immer mehr Frauen an ihre Tür und wollten von der fremden Stickerin unterstützt werden, um ebenfalls in schönen Kleidern zu glänzen, die sie sich sonst nicht leisten konnten.
    Leila schüttelte den Kopf. »Das ist alles schön und gut, und die Kleider sind sehr hübsch, aber mit dieser Arbeit werden wir unserem Herrn oder uns keine großen Reichtümer einbringen.«
    Cat warf ihr einen seltsamen Blick zu. »Was meinst du damit?«
    Die Holländerin errötete. »Du kannst es ruhig wissen. Sidi Qasem hat eine Handelsgesellschaft gegründet und war so freundlich, mich aufzunehmen. Wir werden die Gewinne unter uns aufteilen und ein Fünftel davon in eine Gemeinschaftskasse
für das Wohl der Gemeinde einzahlen. Du verstehst, ein Kinderkaftan hier oder ein Badetuch dort werden die Gemeindekasse nicht großartig füllen.«
    Und deine eigenen Taschen auch nicht, dachte Cat böse, hielt aber den Mund. »Was sollten wir stattdessen machen?«, fragte sie.
    Leila zog eine Liste aus der Tasche ihres Gewands. »Pferdeschmuck und Satteltücher, Festkleidung, Wandteppiche, alle mit reichlich Silber- und Goldfäden, Troddeln und Litzen …«
    »Kostspielige Waren für reiche Leute.«
    Die Holländerin presste die Lippen aufeinander. »Wenn du so willst. Doch je mehr Geld wir den Reichen auf diese Weise abnehmen, umso mehr fließt in die Gemeinde und umso mehr werden die Leute hier dich in ihre Gebete einschließen.«
    Cat starrte sie an. »Warum sollten sie für mich beten?«
    »Du bist ungläubig, und schlimmer noch: kafir . Du kommst nach deinem Tod auf die sechste Stufe der Hölle und musst dich von den dornigen Früchten des Zakum-Baumes ernähren, was deine Qualen im ewigen Feuer noch verstärkt. Deshalb beten die Frauen darum, dass du dich zur shahada bekennst und an ihren Gebeten teilnimmst.«
    » Shahada? «
    »Es ist ganz einfach. Du musst nur sagen: ›Es gibt keinen Gott außer Allah, und Mohammed ist sein Prophet‹. Von diesem Moment an bist du im Islam aufgenommen.«
    »Das ist alles?«
    Leila beugte sich eifrig zu ihr vor und ergriff ihren Arm. »Das ist alles, und dann bist du eine von uns. Es ist ganz leicht und würde … alle sehr glücklich machen.«
    »Ich sehe nicht ein, was ich von einer so billigen Konvertierung hätte«, sagte Cat steif.
    Die Holländerin lächelte schlau. »Ein Muselmane kann kein Sklave sein. Du wärst frei. Und es ist allgemein bekannt, dass ein mohammedanischer Mann nur eine mohammedanische Frau
heiraten darf.« Sie zögerte, um die Wirkung ihrer Worte abzuwägen. »Ich habe gehört, dass Sidi Qasems Base Khadija einen Brautschleier in Auftrag gegeben hat.«
    Cat hielt ihrem neugierigen Blick

Weitere Kostenlose Bücher