Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
Vom Netzwerk:
stand. »Wie schön für sie!«
    »Obwohl einem Muselmanen fleischliche Beziehungen mit seinen Sklavinnen natürlich gestattet sind, auch wenn er eine Muselmanin zur Frau genommen hat.«
    Cat riss ihr die Liste aus der Hand. »Ich habe eine Menge zu tun. Ich kann es mir nicht leisten, hier herumzustehen und mir dummen Tratsch anzuhören.« Ihr Gesicht brannte.
    An diesem Tag machte sie einen Fehler nach dem anderen. Die Frauen schüttelten den Kopf, schnalzten mit der Zunge und beobachteten sie aus dem Augenwinkel. Ob sie krank war? Auf alle Fälle wirkte sie gereizt. Vielleicht verliebt, schlug Hasna boshaft vor, und alle lachten.
     
    Cat stand vor dem Spiegel und dachte daran, wie Nell Chigwine sie als Jezabel beschimpft hatte. Wie jeden Tag trug sie ihr Khol auf und sah, wie verführerisch ihre blauen Augen damit wirkten. Sie hörte die silbernen Ohrringe, die bei jeder Bewegung klirrten. Die kostbare Stickerei am Hals und den Ärmeln betonte noch das ohnehin auffallende Rot ihres Kaftans. Ein scharlachrotes Kleid für eine scharlachrote Frau …
    Dann fiel ihr wieder ein, dass Nell tot war, und wie sie gestorben war, und sie schämte sich.
    Heute war ein wichtiger Tag. Sidi Qasem hatte eine Gruppe von Händlern eingeladen, um ihnen seine neuesten Geschäftspläne vorzustellen. Den ganzen gestrigen Tag hatten sie damit verbracht, den vornehmsten Salon im Haus zu reinigen, hatten die Kissen mit Rosenwasser besprenkelt, die Teppiche ausgeklopft, Messing und Holzmöbel poliert. Und was noch wichtiger war, sie hatten einem Dutzend Stickereien, die er als Muster vorführen wollte, den letzten Schliff verpasst. Die letzten
beiden Monate waren damit ausgefüllt gewesen, eine Reihe von Mustern anzufertigen und sie mit Gold- und Silberfäden zu schmücken, damit er sie den Kaufleuten aus Meknes, Fez, Larache und Safi - ja sogar aus Marrakesch - vorlegen konnte und sie ihre Bestellungen aufgaben. Zu diesem Zweck hatten sie sich einen prächtigen Pferdeschmuck ausgedacht, ein Satteltuch, das mit feiner Litze und goldenen Quasten gesäumt war, ein spektakulär gearbeiteter Sattelschutz, der direkt auf das Leder gestickt werden sollte, und einen reich mit Gold verzierten Gurt und passendes Zaumzeug. Dazu kamen die üblichen festlichen Kleidungsstücke, Hochzeitsvorhänge und Schleier, Gürtel, Borten und Bettüberwürfe. Der raïs hatte sich mehr engagiert als sonst und sie oft besucht, um ihnen Ratschläge hinsichtlich des Zuschnitts und der Qualität von Satteltuch und Zaumzeug zu geben. Immer wieder hatte Cat sich so deutlich wie in einem wahren Traum an den Nachmittag erinnert, als sie ihn auf seiner Seite des Bou Regreg gesehen hatte, reglos und schweigend, neben seinem mit feinem Gold und Scharlachrot geschmückten Pferd.
    Nun nutzte sie die Gelegenheit, Wäsche auf dem Dach aufzuhängen, als Vorwand, um einen flüchtigen Blick auf ihn zu erhaschen. Sie musste nicht lange warten. Innerhalb von wenigen Minuten erschien eine Gruppe von Männern am Fuß des Hügels unter dem Haus; alle waren mit Umhängen und Turbanen gegen den Wind geschützt. Ihr Blick schweifte zielsicher zu dem größten von ihnen, dessen Schritt selbst bei diesem Aufstieg eher stolz und aggressiv als gemächlich war. Als sie näher kamen, sah er auf. Seine Augen waren wie ein Magnet, und sie zog den Kopf ein, erschrocken darüber, wie heftig ihr Herz unter den Rippen flatterte.
    Später war sie diejenige, die die große Teekanne, die Teegläser und die Mandelkekse, die sie an diesem Vormittag gebacken hatten, in den Salon brachte. Hier lagerten die Männer auf Polsterkissen, rauchten und unterhielten sich geräuschvoll.
Sein Blick, sonst immer so dunkel und verstohlen, blieb an ihr hängen, und als sie sah, wie seine Augen sich weiteten, wusste sie, dass sie die gewünschte Wirkung erzielt hatte. Sie verbeugte sich und verließ sittsam den Raum, ohne nach rechts oder links zu schauen, doch an diesem Abend erwartete sie sein Klopfen an ihrer Tür und wurde nicht enttäuscht.
    »Sieht so aus, als würdest du mir eine Menge Geld einbringen«, erklärte er und lehnte sich gegen den Türrahmen.
    Cat legte das Buch beiseite, in dem sie gelesen hatte, und sah auf. Seine Pupillen waren erweitert von dem Kraut, das er mit seinen Gästen geraucht hatte. Er spielte mit seinen Gebetsperlen, schwang sie hoch und fing sie mit einer Hand wieder auf, sodass die kleinen polierten Steine aneinanderklickten.
    »Das Satteltuch?«, fragte sie. »Oder die

Weitere Kostenlose Bücher