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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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Wasser des Hafenbeckens. Sein Krummschwert beschrieb einen Bogen, in dem sich das helle Licht brach, sodass es die Augen derjenigen blendete, die es fallen sahen. Die Piraten schlugen rücksichtslos zu, und bald war der kleine Aufstand brutal beendet. Thom Samuels lag stöhnend am Boden; dunkles Blut sickerte zwischen die Pflastersteine, als sich die Finger seiner abgetrennten rechten Faust langsam öffneten wie eine Blüte in der Sonne.
    Im Nu saßen sie in den Booten, zu eingeschüchtert durch diesen plötzlichen Ausbruch von Gewalt, um weiteren Widerstand zu leisten.
    Auch Cat hatte sich willenlos an Bord eines der kleinen Boote stoßen lassen wie ein Stück einfache Handelsware, das sie wohl jetzt auch geworden war. Sie kauerte neben zwei schluchzenden Frauen, deren Namen sie nicht kannte, im Bug. Keiner aus ihrer Familie war in der Nähe, und sie merkte, dass sie sich nicht dazu überwinden konnte, die beiden Männer anzusehen, die sie vom Kai wegruderten. Stattdessen blickte sie an ihnen vorbei auf ihre Stadt. Wie lange und inbrünstig hatte sie Gott angefleht,
sie verlassen zu dürfen? Sie hatte Penzance noch nie vom Meer aus gesehen, war noch nie in ein Boot gestiegen, obwohl sie in Cornwall geboren und ihr ganzes Leben lang von diesem schimmernden Meer umgeben gewesen war. Das Wasser bewegte sich unter dem kleinen Boot wie ein lebendes Wesen und verwirrte sie noch mehr. Sie schirmte die Augen gegen die Sonne ab und starrte auf die sich entfernende Küste. Warum kam denn niemand? Irgendwer müsste zumindest die großen Schiffe sehen und sich fragen, was sie dort machten. Sie mussten genau an St. Michael’s Mount, an seinen Kanonen und Wachen vorbeigesegelt sein, und niemand hatte Alarm geschlagen. Natürlich waren sie im Schutz des Nebels gekommen, doch inzwischen lagen die Schiffe in vollem Tageslicht da, kühn, massiv und arrogant, mit flatternden Wimpeln und Männern an Deck. War die Garnison etwa ebenfalls in der Kirche? Oder schliefen die Männer ihren Kater aus, da der Gouverneur das Wochenende zuhause verbrachte? Wenn Ausgucke und Kanoniere besinnungslos schnarchen, spielt es wohl keine große Rolle, wie viele Waffen Sir Arthur von der Krone erbeten hat, dachte Cat und erinnerte sich an den Tag vor knapp einem Monat, als die hohen Herren von Cornwall sich auf Kenegie versammelt hatten.
    Auf einmal fiel der Schatten des größten Schiffes über sie, und als sie aufsah, bemerkte sie die beiden gewaltigen Flaggen, die hoch über ihr am Mast flatterten. Die erste war mit drei prächtigen Halbmonden geschmückt. Die zweite zeigte einen Arm auf dunkelgrünem Grund, der ein langes gekrümmtes Schwert schwang, und daneben grinste ein auf zwei gekreuzten Knochen ruhender Totenkopf zu ihr herab.

ZWÖLF
    I n weniger als einer Stunde hatte man sie an Bord gebracht und ins Unterdeck geworfen. Ihre Hände wurden mit kalten Eisenringen gefesselt, dann kettete man sie in Gruppen von jeweils acht Personen an Stangen, die sich längs durch das Unterdeck zogen. Es gab kaum Platz zum Sitzen, geschweige denn zum Liegen, und der Gestank war unerträglich.
    Die Gemeindemitglieder der St. Mary’s Chapel zu Penzance waren nicht die ersten Gefangenen der Piratenbande. Mehr als fünfzig arme Teufel sahen zu, wie man sie hereintrieb, um ihnen in ihrer erbärmlichen Lage Gesellschaft zu leisten. Ihre Augen glänzten fiebrig im trüben Licht, ihre Gesichter waren hager und eingefallen. Schweigend beobachteten sie, wie man die Neuankömmlinge an ihre Plätze stieß und ankettete, und wie es Schläge und Verwünschungen hagelte. Sie hatten gelernt, dass es klüger war, ihre Entführer nicht zu reizen.
    Als sich die Klappen zum Unterdeck über ihnen schlossen und alles in Dunkelheit tauchten, begannen die Fragen.
    »Von welchem Schiff haben sie euch geraubt?« Ein schwerer Akzent, nicht der von Penwith. »Muss verdammt groß gewesen sein, mit so viel Frauen und Kindern an Bord.«
    »Schiff? Nein, es war kein Schiff, auf dem man uns gefangen genommen hat. Es war an Land, in Penzance«, antwortete die Stimme eines Mannes. Cat glaubte, Jack Kellynch zu erkennen.
    »An Land?«
    »Aye, sie haben während des Gottesdienstes die Kirche gestürmt und uns mitgenommen.«

    Das sorgte für gehöriges Entsetzen. »So etwas habe ich noch nie gehört. Im ganzen Leben nicht.«
    »Es war ein Kinderspiel an einem Sonntagmorgen.«
    Die Planken des Schiffes ächzten, und seinem Schlingern und Schaukeln nach zu urteilen, befanden sie sich bereits auf

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