Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
Vom Netzwerk:
einer der Fremden vor ihr, musterte sie drohend und sagte etwas in seiner harten, unverständlichen Sprache. Sie schüttelte nervös den Kopf, und er stieß sie noch einmal vorwärts und lachte über ihre Begriffsstutzigkeit. Eine breite dunkle Lücke wurde in seinem Mund sichtbar, wo mehrere Zähne fehlten. Irgendwie war das erschreckender als alles andere.
    Als sie sich dem Kai näherten und die Schiffe sahen, wandte sich plötzlich Bürgermeister Maddern an den Anführer der Piraten. »Ich habe Geld, guter Mann. Schaut, hier habe ich fünf Silbermünzen und ein halbes Dutzend Kronen aus purem Gold!« Er zog einen Beutel vom Gürtel ab und schüttelte ihn. »Nehmt sie und lasst uns gehen.«
    Jemand pfiff durch die Zähne. Es war eine Menge Geld, das man nicht einfach so mit sich herumtrug. Ein anderer murmelte etwas von Veruntreuung von öffentlichen County-Geldern, während hinter ihm jemand rief: »Ist das für uns alle, John Maddern, oder nur für Euch und Eure fette Frau?«
    Der Bürgermeister lief rot an - aus Scham oder aus Wut - und wollte sich auf den Schreihals stürzen. Der Anführer der Piraten lachte kurz auf. Er schnappte dem Bürgermeister den Beutel aus der Hand und schüttete den Inhalt in seine Handfläche. Dann wandte er sich seinen Männern zu und sagte etwas so laut und so schnell, dass alle in brüllendes Gelächter ausbrachen.
    Der Pirat mit dem Turban verbeugte sich spöttisch vor dem Bürgermeister. »Vielen Dank für deinen Beitrag, Fettsack. Eine kleine Anzahlung.«
    »Anzahlung?«
    »Auf eure Freilassung, natürlich.«
    »Freilassung?«

    Der Pirat grinste. »Es gibt Vögel im Sultanspalast, die haben denselben Trick. Die Leute meinen, sie wären intelligent, aber ich glaube, sie plappern nur etwas nach, ohne zu wissen, was sie sagen.« Er hielt inne, um das offensichtliche Unbehagen des Bürgermeisters auszukosten, und fuhr dann sanft fort: »Eure Freilassung, euer Lösegeld. Für dich und deine Frau.« Er warf Mistress Maddern einen Blick zu, die sich mit Augen so groß wie Untertassen an den Arm ihres Mannes klammerte. »Ist anscheinend gut gebaut, viele Männer lieben das. Sie würde einen guten Preis bringen. Ich mache dir einen Vorschlag: vierhundert Pfund für euch beide.«
    Seltsamerweise sah es so aus, als wäre es eher die Summe, die den Bürgermeister so aufbrachte, als die Vorstellung eines Lösegelds. »Vierhundert Pfund? Ihr müsst verrückt sein. Das ist ein Vermögen.«
    »Abzüglich Anzahlung« - der Pirat zählte die Münzen in seiner Hand zusammen - »zwei Pfund und sechzehn Schillinge. Macht dreihundertsiebendundneunzig Pfund und vier Schillinge in der Währung deines Landes. Ich nehme auch spanische Reale und Dublonen.« Er machte eine grausame Pause. »Überlegt euch, wer zahlen will und wie, sonst werdet ihr in den Sklavengaleeren schmachten.«
    Darauf brach die Frau des Bürgermeisters in Tränen aus, und es sah ganz so aus, als wäre auch ihr Mann nicht weit davon entfernt.
    Unterdessen hatten sie den Strand erreicht, und noch immer ließ sich keine Menschenseele blicken. Falls die Einwohner von Penzance die Piraten entdeckt hatten, mussten sie ihre Fenster verriegelt und sich mucksmäuschenstill im Innern ihrer Häuser verkrochen haben. Vielleicht waren sie aber auch zum Gebet in der Chapel St. Raphael oder in All Saints in Market-Jew, ohne etwas von der Katastrophe zu ahnen, die sich in ihrer unmittelbaren Nähe abspielte. In Gulval singen sie nun den Abschlusspsalm, dachte Cat, Sir Arthur und seine Familie, Rob und der
Rest des Haushalts. Woher sollten sie wissen, dass hier drei Piratenschiffe ankerten, die sich im Schutz des Nebels in die sichere Bucht von Penzance gestohlen hatten und darauf warteten, mit sechzig ihrer Landsleute an Bord die Segel zu setzen?
    Unten an der Kaimauer schaukelten mehrere kleine Boote fröhlich auf der ruhigen See, blau gestrichene Skiffs aus Holz, die kaum anders aussahen als diejenigen, die die einheimischen Fischer benutzten. Die Piraten mischten sich unter die Gemeindemitglieder und teilten sie mit barschen Worten in Gruppen auf, die von den Booten zu den weiter draußen liegenden Schiffen gebracht werden sollten. Vielleicht wurde ihnen nun die grausige Realität ihrer Lage vollends bewusst: Dies war das letzte Mal, dass sie ihren Fuß auf kornische Erde setzten. Jedenfalls kam es plötzlich zu großer Unruhe. Jack Kellynch und ein paar seiner Freunde drohten mit geballten Fäusten. Einer der Piraten sprang platschend ins

Weitere Kostenlose Bücher