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Die Zehnte Gabe: Roman

Titel: Die Zehnte Gabe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jane Johnson , Pociao
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verständlichen Englisch und schlug den Priester mit seinem geteerten Tauwerk heftig ins Gesicht.
    Unbeirrt straffte der Priester die Schultern und setzte sein Gebet mit dröhnender Stimme fort:
    »›Behüte mich wie deinen Augapfel im Auge, beschirme mich unter dem Schatten deiner Flügel vor den Gottlosen, die mich verstören, vor meinen Feinden, die um und um nach meiner Seele stehen -‹«
    Der Pirat hielt dem Prediger ein glänzendes Schwert an die Kehle, worauf dieser schluckte und schließlich verstummte.
    Einer seiner Gefährten förderte einen Schlüssel zu Tage und schloss die Stange auf, an die Reverend Truran gefesselt war. Er schob sie zur Seite und bedeutete den vier Männern, die ebenfalls an sie gekettet waren, aufzustehen, während der nächste Pirat die Stange aufschloss, an die Cat und drei andere Frauen gekettet waren. »Auf die Beine! Na los, macht schon!«
    Sie erhoben sich unsicher, denn das Schiff schlingerte stark, und im Halbdunkel war es schwer, das Gleichgewicht zu behalten. Eine der Frauen - Cat hatte sie an einem der allwöchentlichen Markttage gesehen, kannte aber ihren Namen nicht - klammerte sich so fest an Cats Ärmel, dass sie ihn beinahe abgerissen hätte, und als sie schwankte, um ihr Gleichgewicht wiederzufinden, spürte sie, wie ihre Schuhsohle in etwas Weichem, Schleimigem versank. Ein übler Geruch hing in der ohnehin verpesteten Luft. Trotzdem konnte sie wider alle Vernunft nur daran denken, dass ihre besten Strümpfe damit ruiniert wären. Ihre wirren Gedanken drehten sich allein darum, bis sie schließlich an Deck kletterte, wo der starke Wind und die salzige Luft ihr den Kopf wieder frei pusteten.
    In der Mitte des Schiffs saß der Anführer der Seeräuber auf einem geschnitzten Holzstuhl, die Füße ruhten auf einer mit Ornamenten verzierten Kiste. Zu seiner Linken saß ein Mann mit weißem Gewand und Turban kreuzbeinig auf dem Deck
und hielt eine glatte, helle Holztafel und ein Schreibgerät in der Hand. Zu seiner Rechten stand ein bauchiges Gefäß aus Glas mit einer durchsichtigen Flüssigkeit. Es hatte einen schlanken Hals und war oben und unten mit perforierten silbernen Aufschlägen geschmückt. Ein langer mit violetter Seide umwickelter und mit Quasten geschmückter Schlauch schlängelte sich aus der Mitte dieses bemerkenswerten Gefäßes und endete in einem reich verzierten silbernen Mundstück, das er an die Lippen hielt. Während man die Gefangenen mit Peitschenhieben näher trieb, nahm er einen langen Zug aus dem Mundstück, sodass die Flüssigkeit in dem Gefäß blubberte. Er schloss die Augen, inhalierte tief und stieß dann eine große duftende Rauchwolke aus. Bestimmt ist es der Teufel leibhaftig, dachte Cat, als sie seine seltsame dunkle Haut und das von Rauchschwaden umkränzte Profil betrachtete. Er sitzt auf seinem Stuhl, als wäre es der Thron der Hölle, von dem er über uns arme Sünder triumphiert.
    Als er den Piraten, die sie aus dem Unterdeck geholt hatten, ein Zeichen gab, trieben sie die Gefangenen vor sich her auf ihn zu. Einer von ihnen stieß Cat schmerzhaft in den Rücken, doch als sie sich umdrehte, um sich über die ungebührliche Behandlung zu beschweren, sah sie, dass der Mann blaue Augen, rotblondes Haar und eine Haut hatte, die nur wegen ihrer unzähligen Sommersprossen dunkel wirkte, ganz anders als die seltsamen Fremden, die den Rest der Mannschaft ausmachten. Er bemerkte ihre Überraschung, grinste und zwinkerte ihr unverschämt zu. »Das hast du wohl nicht erwartet, wie? Ein Engländer inmitten dieser Bande, mein Täubchen.«
    Cat starrte ihn mit offenem Mund an. »Nicht nur ein Engländer, sondern obendrein aus dem Westen, Eurem Akzent nach zu schließen«, sagte sie entsetzt. »Bei der Liebe Gottes, könnt Ihr Euch nicht für uns einsetzen und uns aus der Hand dieser Wilden retten?«
    Er spuckte lachend aus. »Ich liebe euren Gott nicht mehr
als unser feiner raïs hier: Seit zwei Jahren bin ich selbst Muselmane. Mein Geburtsname Will Martin ist Vergangenheit, jetzt nennen sie mich Ashab Ibrahim - Ingwer Abraham -, und der steht mir verdammt viel besser zu Gesicht. In Plymouth war ich ein armer, verachteter Fassbinder und Küferlehrling, den sie in die Marine Seiner Majestät steckten, besser gesagt, was von ihr noch übrig war. Mögen ihre Seelen verrotten. Dann versenkten meine Retter unser stolzes Schiff und nahmen mich und meine Gefährten gefangen. Also bin ich konvertiert und mit diesen feinen Herrschaften zur See gefahren.

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