Die Zeit der Androiden
richtete Barbara sich in ihrem Stuhl auf. Sie dachte daran, Aspirin zu nehmen, aber es schien keinen Grund dafür zu geben. Sie fühlte sich nicht krank. Es hatte sogar den Anschein, als fühlte sie sich wacher und aufmerksamer als zuvor.
Sie wollte sich ihrer Schreibmaschine zuwenden, als sie aus den Augenwinkeln sah, daß John Hammond im Durchgang zu ihrem kleinen Arbeitsraum stand. Sie schluckte, dann drehte sie sich langsam nach ihm um.
»Ist Ihnen nicht gut, Barbara?« fragte Hammond. »Eben dachte ich, Sie würden von Ihrem Stuhl kippen.«
Barbara war sehr beunruhigt, daß ihr Schwindelanfall beobachtet worden war. »Es tut mir leid, Mr. Hammond«, murmelte sie scheu. »Es ist wirklich nichts. Ich muß einen Moment geträumt haben.«
Er blickte sie noch einen Moment länger an, dann nickte er, wandte sich ab und ging.
2.
Nachdem er Barbara verlassen hatte, fuhr Gloge einige Etagen tiefer und stationierte sich hinter einem Kistenstapel gegenüber vom Lagerraum des zentralen Fotolabors. Pünktlich um fünfzehn Uhr dreißig wurde eine andere Tür weiter hinten im Korridor geöffnet. Ein schlaksiger, mißmutig blickender junger Mann mit roten Haaren, der einen fleckigen weißen Arbeitsmantel über seinem Anzug trug, schob einen beladenen Transportkarren vor sich her zum Lagerraum.
Es war die Zeit des Schichtwechsels im Fotolabor. Gloge hatte entdeckt, daß es zu den regelmäßigen Pflichten Vincent Strathers gehörte, um diese Zeit bestimmte Materialien ins Lager zurückzubringen.
Dr. Gloge spähte durch den Spalt zwischen zwei Kisten und sah Strather näher kommen. Er bemerkte, daß er jetzt viel nervöser und gespannter war als zuvor; irgendwie fühlte er, daß dies nicht so einfach sein würde wie mit Barbara. Schon von seiner Persönlichkeit her war Vincent Strather nicht die Versuchsperson, die Gloge gewählt haben würde, wenn er eine beliebige Auswahl gehabt hätte; der junge Mann war zu bitter, zu cholerisch. Aber die Tatsache, daß er Barbaras Freund war und daß sie ihre Freizeit häufig miteinander verbrachten, war eine günstige Vorbedingung für den weiteren Verlauf des Experiments.
Er zog seine Injektionspistole und trat rasch hinter dem Kistenstapel vor, als Strather vor der Tür des Lagerraums haltmachte. Er zielte kurz, aber schon beim Abdrücken erkannte er, daß seine Nervosität ihm einen Streich gespielt hatte.
Die nadelfeine Mündung der Injektionspistole war zu weit von Strather entfernt; die Distanz war einen guten halben Meter zu groß. Der feine Gasstrahl, der mit einer Geschwindigkeit von mehr als tausend Stundenkilometer aus der Nadeldüse schoß, hatte Zeit, sich zu verbreitern und langsamer zu werden. Er traf Strather weit oben am Schulterblatt und zerrte an seiner Haut, als er eindrang. Für Strather mußte es wie ein kurzer, scharfer Schlag von etwas Eiskaltem gewesen sein. Er fuhr zusammen und stieß einen Schreckenslaut aus, dann schüttelte er sich, als ihn ein – wahrscheinlich kalter – Schauer überlief. Die Reaktion genügte Gloge, seine kleine Pistole einzustecken und den Jackenknopf zu schließen.
Aber das war auch alles. Vince Strather wirbelte herum. Seine Hände packten Gloges Arme, und sein jähzorniges Gesicht beugte sich unheilverkündend über den Doktor.
»Du verdammter Zwerg!« brüllte er. »Was fällt dir ein, mir eine zu scheuern? Womit hast du das gemacht? Und wer bist du überhaupt, zum Teufel?«
Dr. Gloge erschrak. Er versuchte sich Strathers hartem Griff zu entwinden. »Ich weiß nicht, wovon Sie reden!« sagte er atemlos. »Lassen Sie mich los!«
Er verstummte. Er sah, daß Vince an ihm vorbeibückte. Der Zugriff des jungen Mannes lockerte sich plötzlich, und Gloge konnte sich befreien. Er wandte sich um. Er blickte durch den Korridor und eine benommene, ungläubige Bestürzung verbreitete sich in ihm.
John Hammond kam durch den Gang, die grauen Augen fragend auf sie gerichtet. Gloge konnte nur verzweifelt hoffen, daß er noch nicht in Sicht gewesen war, als die Injektionspistole gefeuert hatte.
Hammond blieb bei ihnen stehen und sagte in einem Ton gelassener Autorität: »Doktor Gloge, können Sie mir verraten, was das zu bedeuten hat?«
»Doktor!« wiederholte Vince Strather erschrocken.
Gloge legte Verwunderung und Indignation in seine Stimme: »Dieser junge Mann scheint unter dem Eindruck zu stehen, daß ich ihm eben einen Schlag versetzte. Unnötig zu sagen, daß ich nichts dergleichen getan habe. Ich verstehe nicht, wie er
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