Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
aufkam und alle ihren eigenen Hütten zustrebten. Künstliches Licht hatte man noch kaum in Sankt Paulidorf, zumindest keine Gas- oder Öllampen, die nennenswerte Helligkeit spendeten. Jede Familie besaß lediglich eine Laterne, und die entzündete Ottfried jetzt reichlich unsicher. Er torkelte, als er Idas Arm nahm.
»Komm jetzt. Wir … wir gehen nach Hause. Es ist Zeit.«
KAPITEL 6
Jane Fenroy gelang es, den Vollzug ihrer Ehe mit Christopher aufzuschieben. Einen gewichtigen Grund dafür gab es nicht, wenn man von ihrem vagen Unbehagen absah, sich auf dieses unappetitliche Unterfangen sozusagen Wand an Wand mit ihren Eltern und Geschwistern einzulassen. Jane und Chris sollten die Hochzeitsnacht im Hause der Beits verbringen, bevor Chris nach Canterbury aufbrechen würde, um ihnen eine zunächst provisorische Bleibe auf der künftigen Farm zu schaffen. Vor allem ging es um eine Machtprobe. Jane musste einfach ausprobieren, wie weit sie bei Christopher gehen konnte, und tatsächlich war es lächerlich einfach. Das junge Ehepaar zog sich nach einigen Stunden mit der Hochzeitsgesellschaft in die Zimmerflucht zurück, die Janes Eltern ihnen stellten. Eines der Hausmädchen – die etwas unbedarfte, aber deutschsprachige Kleine, die sich aus unerfindlichen Gründen Cat und nur Cat nennen ließ – erwartete Jane dort schon, um ihr aus dem pompösen Kleid zu helfen. Wahrscheinlich würde sie es dabei zerreißen, aber wen scherte es …
Jane sah Christopher nur kurz an, bevor sie das Schlafzimmer betrat. »Wollen wir es jetzt machen, oder warten wir auf einen Abend, an dem du nüchtern bist?«, fragte sie kühl.
Eine unfaire Frage – Chris war keineswegs betrunken. Natürlich hatte er ein Glas Champagner gehabt und dann ein paar Drinks mit seinen Freunden. Doch weder schwankte noch lallte er, es bestand kein Anlass, daran zu zweifeln, dass er seine Pflichten in dieser Nacht würde erfüllen können. Janes Angriff traf ihn dann auch wie ein Schlag. Er schreckte regelrecht zurück, errötete und senkte den Kopf.
»Ganz … ganz wie du möchtest, Jane …«
Jane lächelte sardonisch und winkte dem Hausmädchen, das peinlich berührt dabeistand und nicht wusste, wo es hinsehen sollte.
»Dann lassen wir es doch. Komm, Cat, hilf mir aus dem Kleid, ich ersticke in diesem Korsett … Und dir, Chris, wünsche ich eine gute Nacht.«
Wo ihr Gatte schließlich nächtigte, wusste Jane nicht, und es war ihr auch egal. Auf irgendeinem der Sofas oder Sessel im Salon der kleinen Suite würde er es schon gemütlich haben. Am nächsten Morgen, noch bevor Jane zum Frühstück herunterkam, war Chris fort.
»Er hat’s eilig mit dem Nestbau!«, flötete ihre Mutter. »Aber es ist ja auch verständlich, dass er ein eigenes Heim will, in dem er nach Belieben schalten und walten kann. Heute Nacht hat er sich ja wohl sehr zurückgehalten. Man hat gar nichts gehört …«
Jane nahm ein frisches Brötchen und kam zu dem Schluss, dass ihre Entscheidung richtig gewesen war. Es war absolut überflüssig, dass im Haus ihrer Eltern jeder akustisch an ihrem Eheleben teilhatte.
Christopher kehrte jedoch ein paar Wochen später zurück, früher als erwartet und ganz begeistert von seinem Land und ihrer neuen Bleibe. Den Eklat in der Hochzeitsnacht schien er vergessen oder wenigstens verdrängt zu haben.
»Es ging alles viel schneller als gehofft, Jane!«, berichtete er strahlend. »In der Gegend ist ein Maori-Stamm ansässig – die Ngai Tahu. Sie sind viel umgänglicher als die Ngati Toa. Die Männer waren sofort bereit, zu helfen. Erst mal beim Hausbau, aber sie werden mir auch bei der Urbarmachung der Felder zur Hand gehen. Wir haben nun schon mal ein Haus im Stil ihrer Versammlungshäuser aufgestellt.«
»Eine Art Tipi?«, fragte Jane entsetzt.
Sie war von Chris’ Ankunft in Nelson überrascht worden und hatte nicht mal Zeit gehabt, sich ein bisschen herzurichten. In ihrem weiten Nachmittagskleid wirkte sie noch formloser, als sie ohnehin war – und auch wenn sie sich einredete, es sei ihr egal, ob sie ihrem Gatten gefiel oder nicht, so empfand sie ihren Aufzug doch als würdelos.
Chris runzelte die Stirn. »Wieso Tipi? Hast du denn noch nie eine Maori-Siedlung gesehen, Jane? Sie haben nichts, absolut nichts mit den Indianern in Nordamerika gemeinsam! Maori leben nicht in Zelten, es sei denn, sie wandern gerade. Nun, du wirst es sehen, wir werden ja jetzt sozusagen ihre Nachbarn. Und wir können sofort einsäen, ich kann noch
Weitere Kostenlose Bücher