Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
»unzivilisierten« neuen Land hatte über Herrn Brandmanns Sparsamkeit triumphiert. Dennoch würde man noch einiges kaufen müssen.
Ida sah sich unglücklich in der Hütte um, die sie vom nächsten Tag an mit Ottfried teilen sollte. Die verzögerte Anlieferung des Hausrats hatte ihr eine Galgenfrist beschert, aber nun hatten Jakob Lange und Peter Brandmann gemeinsam mit den Missionaren den Tag ihrer Hochzeit bestimmt: Der 5. September sollte ein Freudenfest werden. Ottfrieds und Idas Trauung war anberaumt sowie die Taufe von Krauses Baby. Den Höhepunkt würde jedoch die Grundsteinlegung der neuen Kirche bilden! Die Parzellen am Fluss waren zwar erst provisorisch vermessen, aber für das Kirchengrundstück gab jeder gern etwas ab. Die Kirche sollte der Mittelpunkt von Sankt Paulidorf werden, schon jetzt hatten die Männer begonnen, Holz dafür zu schlagen. Peter Brandmann und Ottfried freute das besonders – ihre Dienste als Zimmerleute wurden endlich wieder benötigt und würden nun auch von der Gemeinde entlohnt werden.
»Und abends mache ich mich an unser eigenes Haus!«, erklärte Ottfried wichtig. »Wirst sehen, es steht als eines der ersten im Dorf.«
Ida hatte den Bauplatz inzwischen auch besichtigt. Tatsächlich ein idyllisches Stück Land, zu dem sogar ein paar der traurigen Bäume gehörten, die im Tal wuchsen. Inzwischen waren die Temperaturen etwas gestiegen, die Bäume auf den Hügeln wirkten wieder gesund. Die Wedel der Nikau-Palme, die vor Idas künftigem Haus stand, schienen jedoch fransig und wie vom Sturm gebeutelt.
Und nun also die Hochzeit … Ida konnte sich nicht helfen, sie fühlte eher Niedergeschlagenheit als Vorfreude, wenn sie daran dachte. Dabei war das ganze Dorf bereits emsig mit den Vorbereitungen beschäftigt. Die Frauen machten das Beste aus den wenigen Vorräten, die sie aus Nelson mitgebracht hatten. Sie hatten inzwischen ein provisorisches Backhaus errichtet, und der aromatische Geruch frisch gebackenen Brotes erfüllte die Siedlung. Was Fleisch anging, musste man sich mit ein paar Hühnern begnügen, die mit dem Hausrat aus Nelson gekommen waren, aber dafür gab es reichlich frischen Fisch. Die Hügel und das gesamte Schachtstal waren durchzogen von kleineren und größeren Wasserläufen, und jeder war so fischreich, dass selbst die kleinen Jungen wie Idas Bruder Franz mit den Händen Forellen fingen. Oder jedenfalls Fische, die wie Forellen aussahen. Wahrscheinlich gehörten sie anderen Gattungen an, sie waren jedoch äußerst schmackhaft. Eine Räucherbude hatten die Frauen auch schon gebaut, und für den kommenden Tag köchelte bereits eine Fischsuppe. Natürlich jammerten die Frauen, weil ihnen wichtige Zutaten für die Rezepte aus der Heimat fehlten, aber sie improvisierten mit dem, was sie hatten, bald würden ja wieder Rüben und Kartoffeln, Kohl und Dill in ihren Gärten wachsen.
Ida schalt sich selbst dafür, dass sie Trübsal blies, während die anderen guten Mutes waren, und zwang sich, angemessen auf die Scherzworte und die freundliche Ansprache der Frauen zu reagieren, als sie jetzt zurück zur Hütte der Langes ging, um ihr Kleid noch einmal anzuprobieren. Es war nicht weiß, aber das war auch in Raben Steinfeld nicht üblich gewesen. Die Altlutheraner bevorzugten es schlicht – allenfalls trugen die Bräute landesübliche Tracht, bunte Schultertücher, bestickte Röcke und hübsche Schürzen. Einige Bauersfrauen hatten diese Kleider, die seit Generationen im Besitz ihrer Familien waren, in die neue Heimat mitgebracht. Die meisten Siedler besaßen allerdings nichts dergleichen, ihre Familien waren bis vor wenigen Jahrzehnten Leibeigene des Junkers gewesen und hatten gerade die Kleidung besessen, die sie Tag für Tag am Leibe trugen. Später hatten sie dann meist ein Kleid für den Alltag und eines für den Kirchgang am Sonntag gehabt, das sich auch für Familienfeste eignete.
Die Frauen hatten Ida geholfen, aus dem dunkelblauen Wollstoff aus Nelson ein schlichtes, hochgeschlossenes Kleid zu fertigen, dazu eine weiße Schürze und eine unter den feuchten Wetterbedingungen mühsam mit Kartoffelstärke in Form gebrachte Haube. Ein neues Nachthemd hatte die junge Frau allerdings nicht … aber an die Nacht nach der Hochzeit mochte sie sowieso nicht denken. Sie wusste nicht einmal ungefähr, was dabei vorging, lediglich die Geräusche waren ihr von der Sankt Pauli her vertraut. Da war den Nachbarn der Paare schließlich nie verborgen geblieben, wenn ein
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