Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
Ehemann seiner Gattin beiwohnte. Ida hatte das Stöhnen und Grunzen stets als beängstigend empfunden. Doch sie war entschlossen, alles so zu halten wie ihre Mutter und all die Generationen der Frauen vor ihr. Sie würde in Demut ertragen, was auch immer auf sie zukam.
So schaffte sie denn ein tapferes Lächeln, als Ottfried sie am nächsten Tag vor den improvisierten Altar in der »Kirche« führte, die bislang nur aus einem feierlich gesetzten Grundstein bestand. Es regnete leicht, und die Plane, die rasch aufgespannt worden war, um wenigstens den Pastor, das Brautpaar und den Täufling zu schützen, hielt die Nässe nur ungenügend ab. Idas hübsche Haube hing bald an ihrem Haar wie ein toter Vogel … Zumindest nahm sie an, dass es so wirken musste, wenn sie Stine Krause ansah.
Auch die junge Mutter trug ihren Feststaat und hatte ihr Kind in ein weißes Taufkleid gehüllt. Der Kleine schrie allerdings pausenlos, wahrscheinlich fror er. Und Franz hustete wieder, er schien Fieber zu haben. Ida machte sich Sorgen um ihren Bruder, sagte sich aber, dass dies von nun an Elsbeths Problem war. Sie konnte sich nicht um zwei Haushalte kümmern – oder würde es zumindest nicht können, wenn der Hausbau erst richtig losging. Schon jetzt begannen die ersten Frauen, ihre künftigen Gärten anzulegen. Auch Ida würde sich bald mit dem Umgraben und Säen beschäftigen müssen. Saatgut hatte sie schon aus Nelson mitgebracht.
Ottfried trug seinen Sonntagsanzug und sah adrett aus, sein Hut war noch nicht durchweicht. Als er ihn zur Trauung abnahm, durchfeuchtete der Regen allerdings schnell sein immer spärlicher werdendes Haar. Die dünnen Strähnen hingen ihm ins Gesicht, das so umso voller wirkte … Und Ida konnte sich nicht helfen, ihr schoss Elsbeths Bemerkung durch den Kopf. Karl sieht besser aus als Ottfried.
Karls Hände um ihre Arme hatten sich zudem besser angefühlt als Ottfrieds ungelenke Umarmung, als er sie schließlich küsste, nachdem sie sich das Jawort gegeben hatten. Ottfried fest und stolz, Ida sehr leise und resigniert. Sie hätte gern mehr Freude in ihre Worte gelegt, aber sie schaffte es nicht.
Und sie schaffte es auch nicht, Karls Bild vor ihrem inneren Auge völlig zu verdrängen, als Ottfried sie dann durch die Menge führte und alle lachten und gratulierten. Peter Brandmann und Jakob Lange prosteten sich zu – anlässlich der Hochzeit genehmigten auch sie sich ein Gläschen von dem allerletzten Selbstgebrannten aus der alten Heimat, der sich tatsächlich noch in einer der Truhen Frau Brandmanns gefunden hatte.
Draußen gemeinsam zu feiern, wie es geplant gewesen war, erwies sich dann als unmöglich. Die Menschen drängten sich auf der Flucht vor dem Regen in kleineren Gruppen in verschiedenen Hütten zusammen. Dabei versammelten sich auch wieder frühere Freunde und Nachbarn aus den ursprünglichen Herkunftsorten der Siedler. Die Gemeinde Sankt Paulidorf war eben doch noch nicht gefestigt.
Ida fand sich mit Ottfried in der Hütte der Brandmanns wieder, in der drangvolle Enge herrschte. Dabei kümmerte sich Ottfried kaum um sie, ihr frischgebackener Ehemann schien erst mal mit den Raben Steinfelder Männern anstoßen zu müssen, bevor er sich wieder seiner Frau zuwandte. Ida aß ein wenig Fisch, Huhn und Reis, aber der Großteil ihres Anteils am Festmahl landete heimlich unter dem Tisch in den Fängen Chasseurs. Der Hund schmiegte sich eng in ihre Röcke, auch er wollte bei diesem Wetter nicht draußen sein. Schließlich förderte Frau Brandmann dann auch für die Frauen noch einen Schatz aus einer ihrer Truhen zutage: Aufgesetzten aus Johannisbeeren.
Ida wollte zunächst nichts, eigentlich war ihr schon vom Essen übel, die Frauen nötigten ihr jedoch ein großes Glas des süßsauren, scharfen Getränks auf.
»Das hilft!«, meinte eine der jüngeren Frauen, ohne näher darauf einzugehen, wobei Ida denn Hilfe brauchen würde.
Die anderen nickten wissend.
»Es tut weh, und es ist unangenehm, aber es ist schnell vorbei!«, tröstete Stine Krause, ohne das Wort Hochzeitsnacht auch nur auszusprechen. »Und wenn du dann erst ein Kindchen hast …« Beglückt schaukelte sie ihren kleinen Richard.
Ida jedenfalls fühlte sich nach dem Genuss des ungewohnten Alkohols gewärmt, was ihr gefiel, und etwas berauscht, wofür sie sich schämte. Hoffentlich merkte Ottfried nichts davon …
Der allerdings wirkte noch sehr viel berauschter, als der Tag sich endlich seinem Ende zuneigte, Dunkelheit
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