Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)

Titel: Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah Lark
Vom Netzwerk:
er den Männern mit dem Sprachrohr Befehle zurief. »Und schau, da kommt ja auch schon der Reverend …«
    Der Priester erschien eben im Korridor vor dem Zimmer, George Hempleman hatte die Tür nicht geschlossen.
    »Wir sehen uns dann heute Abend …« Hempleman hatte es sichtlich eilig fortzukommen.
    »So Gott will …«, hauchte seine Frau.
    Sie war sehr blass, Kitten hatte das Gefühl, als ob sie in dieser Nacht wieder etwas geschrumpft wäre. Inzwischen war auch dem Mädchen klar, dass ihr Ableben kurz bevorstand.
    »Reverend, ich kann Ihnen nicht genug danken für das, was Sie für meine Frau tun«, sagte Hempleman noch kurz und schlug dem Priester rasch anerkennend auf die Schulter.
    George Hempleman machte sich schnell auf den Weg, bevor der Reverend das Thema Spende anschneiden konnte. Dieser versuchte immer wieder, Linda Hempelmann zu einer großzügigen Hinterlassenschaft für seine Mission zu überreden, aber sie reagierte nie darauf. Kitten nahm an, dass sie einfach kein Geld hatte, das sie vererben konnte. Den Lebensunterhalt des Ehepaares bestritt schließlich allein ihr Mann. Und selbst wenn der großzügig war: Wo hätte Linda Hempelmann das Geld hier ausgeben sollen?
    Kitten räumte das Waschzeug weg und kam dann widerwillig dem Ruf des Reverends nach, sich neben ihm niederzulassen und mit ihm und Frau Hempelmann zu beten, in der Bibel zu lesen und der Sterbenden zuzuhören, die immer wieder danach verlangte, zu beichten. Kitten lauschte ihren lässlichen Sünden. Frau Hempelmann erschien ihr stets wie eine Heilige, aber Gott schien es ja schon übel zu nehmen, wenn man nur mal einen hoffärtigen Gedanken hegte. Mehr als solche Kleinigkeiten hatte Frau Hempelmann jedenfalls nicht zu bereuen – der Reverend sprach sie jeden Tag erneut gelassen davon los.
    Um die Mittagszeit schlief Linda Hempelmann ein, und Kitten entfloh dem stickigen Haus und vor allem dem Reverend in den schattigen Wald oberhalb des Strandes. Die Männer auf dem Wasser kämpften immer noch mit dem Wal, aber sie kamen dem Ufer schon recht nahe, es durfte nur noch eine Frage von einer oder zwei Stunden sein, bis das Tier am Strand lag. Kitten hoffte, dass Mr. Hempleman sich Zeit für einen Besuch bei seiner Gattin nahm, bevor er dann das Ausweiden überwachte. Linda Hempelmanns Zustand beunruhigte sie an diesem Tag, die Kranke war einerseits wacher als an den Tagen zuvor, andererseits beängstigend schwach. Der Reverend, der ihr immer wieder den Puls fühlte, hatte denn auch besorgt den Kopf geschüttelt. Wenn Linda Hempelmann ihrem Mann noch etwas sagen wollte, so tat sie das besser bald.
    Kitten pflückte erneut einen großen Strauß der leuchtend roten Rata-Blüten, genug, um das ganze Krankenzimmer damit zu schmücken. Sie war gerade fertig, als Linda Hempelmann erwachte. Sie blickte Kitten aus müden Augen an.
    »Mein Mann …«, flüsterte sie, »und … und der Priester … Ich … es ist Zeit, Kleines, ich … ich höre die Engel … Hörst du … hörst du sie auch?«
    Das Einzige, was Kitten hörte, war etwas wie Triumphgeschrei von fern. Wahrscheinlich war es den Männern gelungen, den Wal an Land zu ziehen.
    »Und du, Kätzchen … ich … hab nachgedacht, über dich, und ich dachte, ich gebe …«
    Sie rang nach Luft und wollte dann weitersprechen, aber bevor sie die Kraft dazu aufbrachte, betrat der Reverend erneut das Zimmer. Er musste wohl kurz weg gewesen sein, um etwas zu essen oder um dem Odem des Todes, wie er die Atmosphäre in Linda Hempelmanns Krankenzimmer nach Auskunft Nonis nannte, in die Arme der Hure zu entfliehen. Das tat er gern auch mal um die Mittagszeit. Kitten ekelte schon der Gedanke daran, dass seine langen, dürren Finger Nonis Brüste kneteten, um dann die Hände der Sterbenden zu umfassen. Von all den anderen Dingen, die er mit Noni trieb, gar nicht zu reden.
    Er warf nur einen kurzen Blick auf die Frau im Bett, dann richtete er die Augen alarmiert auf Kitten.
    »Kind, es ist so weit! Lauf rasch hinunter und such ihren Mann, der sollte ja inzwischen an Land sein. Ich werde so lange mit ihr beten. So Gott will, kann sie sich noch verabschieden …«
    »Aber … Kätzchen …«
    Linda Hempelmann versuchte, Kitten nachzurufen. Anscheinend hatte sie auch ihr noch etwas zu sagen. Kitten wagte jedoch nicht, sich zu widersetzen. Sie verließ das Haus und rannte zum Strand hinunter. Zwischen Pub und Meer lag der zuckende Körper des Wals, umlagert von aufgeregten Männern mit Messern

Weitere Kostenlose Bücher