Die Zeit der Feuerblüten: Roman (German Edition)
über Nacht auch kaum trocknen, selbst wenn sie es jetzt vors Feuer hängte. Cat, die kein Kleid zum Wechseln besaß, drapierte ein Leintuch um ihren Körper. Ida sagte ihr, sie sehe in dem langen, wallenden Gewand wie ein Engel aus.
»Aber ein wehrhafter Engel!«
Cat lachte. Mit ihrem Messer schnitt sie das Brot auf und zerteilte das brettharte Trockenfleisch in mundgerechte Stücke. Ida, die immer noch bibberte, hatte sich schon unter die Decken verzogen, mit denen sie auf dem alten Bett, das zum Glück noch in der Hütte stand, ein gemütliches Lager gebaut hatte.
»Engel haben Flammenschwerter«, erklärte Ida und zog sich die Decke bis ans Kinn, »damit könntest du dieses Fleisch sogar braten. Dann würde es vielleicht nach was schmecken. Bringst du es her, Engel? Ich schaffe es nicht, noch mal aufzustehen …«
Cat hatte nichts gegen ein Picknick im Bett. Allerdings fanden sich in der Hütte weder Besteck noch Teller. Schließlich legte sie die mit dem Fleisch belegten Brotkanten auf ein Stück Holz und trug es zum Bett. Dazu gab es Milch aus dem einzigen Becher, den Cat mit Idas Hilfe gefunden hatte. Er war hinter einem losen Brett in einer Hüttenwand versteckt und noch klebrig vom Whiskey. Die zugehörige Flasche war allerdings leer.
»Die hätte Ottfried sonst wohl auch mitgenommen«, meinte Cat, während sie den Becher ausspülte. Sie hatte Wasser geholt, um die Säume ihrer Kleider zumindest notdürftig vom Schlamm zu reinigen. »Aber wieso war die Flasche versteckt? Hat er früher heimlich getrunken?«
Ida nickte. »Früher hatte er mehr Angst vor den Gemeindeältesten. So was wie jetzt … dass all die jungen Männer sich treffen und Schnaps trinken, mitten in der Woche und bis in die Nacht unter irgendeinem Vorwand, das hätte es in Raben Steinfeld nicht gegeben. Aber hier … es wird alles anders, auch wenn mein Vater und die anderen Kirchenoberen es nicht wahrhaben wollen. Und Ottfried … Ich weiß nicht, was mit ihm los ist. Früher war er nicht so … so bösartig. Ich dachte, er würde werden wie sein Vater, streng und dennoch rechtschaffen. Gottesfürchtig. Jetzt lässt er sich von den Kirchenoberen jedoch nichts mehr sagen. Ich bin sicher, der Gemeinderat weiß, was die Jungen hier treiben, wenn sie angeblich Häuser abbauen. Es kann ja nicht sein, dass man Wochen zum Demontieren einer Siedlung braucht, die in einer Woche aufgebaut wurde. Aber sie halten still, damit ihnen nicht noch mehr Leute weglaufen zum Straßenbau.«
»Und sie brauchen Ottfried«, fügte Cat hinzu. »Der spricht doch als Einziger ein bisschen Englisch, oder? Also sind sie bei allen Behördengängen und Einkäufen auf ihn angewiesen. Sie dürfen ihn nicht verärgern.«
Ida biss sich auf die Lippen. »Ich weiß«, flüsterte sie. »Und das gefällt ihm. Ottfried geht ganz sicher niemals hier weg!«
Sie wandte sich ab, und Cat sah an ihren zuckenden Schultern, dass sie wieder weinte. Ida mochte an ihrem Glauben zweifeln, aber sie saß in ihrer Gemeinde hoffnungslos fest. Für Cat selbst sah das anders aus. Sie dachte darüber nach, das Dorf bald zu verlassen. Sie mochte Ida, noch eine Flut würde sie allerdings nicht mitmachen. Doch darüber konnte sie am kommenden Tag nachdenken, jetzt musste sie schlafen. Angeschmiegt an Ida, die sich in den Schlaf geweint hatte, schloss Cat die Augen.
KAPITEL 4
Ida und Cat erwachten von Chasseurs Gebell. Der Hund hatte sich glücklich vor dem Kamin ausgestreckt, nachdem er etwas Milch geschleckt und einen Happen Trockenfleisch gehabt hatte. Jetzt alarmierte ihn eine Bewegung an der Tür.
Ida regte sich stöhnend, und Cat wäre gewöhnlich beim ersten Laut des Hundes hellwach gewesen. Im Stall der Brandmanns rechnete sie schließlich ständig mit Übergriffen des Hausherrn. In dieser Nacht jedoch erwischte sie Chasseurs Gebell im Tiefschlaf. Sie brauchte sehr viel länger als sonst, die Augen zu öffnen und sich auch nur zu orientieren. Zu lange, wie sie entsetzt feststellte, als sie ein Fluchen und ein Tritt, gefolgt vom Aufjaulen des Hundes, endlich vollständig weckten. Entsetzt blickte sie auf die Gestalt neben ihrem Bett – und in Ottfrieds grinsendes Gesicht im Licht der Laterne, mit der er sich den Weg in seine alte Hütte erhellt hatte. Ida versuchte, sich aufzurichten, genauso fassungslos wie ihre Freundin.
»Sieh an, die eine im Hochzeitskleid, die andere halb nackt. So mag ich das!« Ottfried lachte und blies den Frauen seinen Whiskeyatem ins Gesicht.
Cat
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